„Der Bedarf steigt“
Ein rechtlich kompliziertes und menschlich herausforderndes Arbeitsfeld hat der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Bochum im Auftrag der Stadt übernommen, die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Frau Wiedemhöver, in welcher Situation haben Sie sich erstmals zu dieser Begleitung entschlossen?
Michaela Wiedemhöver: Das Führen von Vormundschaften und Pflegschaften über Minderjährige ist ein originäres Aufgabenfeld von uns. Anfang 2010 waren die ersten Überlegungen, ob wir auch die Vormundschaften über unbegleitete minderjährige Flüchtlinge übernehmen. Aufgrund der umfassenden rechtlichen Unklarheiten haben wir zunächst davon abgesehen. Zwei Jahre später wurden wir dann aber von der Realität eingeholt. Aufgrund der steigenden Zahl von minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen stellte sich die Frage gar nicht mehr, ob wir übernehmen. Es ging nur darum, wieviel Kapazität wir noch für die Übernahme von Vormundschaften hatten. Mittlerweile ist der Bedarf so hoch, dass wir eine weitere Teilzeitstelle ausbauen mussten.
Was ist rechtlich zu tun und zu entscheiden, wenn es zu einer Vormundschaft für Flüchtlingskinder kommt? Und wie gestalten sich da erste Kontakte?
Birgit Carduck: Wir werden als Vormund vom Familiengericht bestellt. In der Regel sind die Kinder und Jugendlichen schon in Wohngruppen untergebracht. Wir nehmen dann Kontakt zu der Wohngruppe und dem Jugendlichen auf und informieren uns intensiv über die Situation der Kinder und Jugendlichen. Nach der Einwilligung zu gesundheitlichen Untersuchungen und der Klärung des Aufenthaltsstatus geht es mit darum, ob ein Asylantrag oder der Antrag auf Abschiebeschutz sinnvoller ist. Bei der Flüchtlingshilfe hat der Jugendliche auch die Möglichkeit, im geschützten Rahmen ausführlich über seine Fluchtgeschichte zu berichten.
Dann suchen wir einen Platz in einer Schulklasse, hier vermittelt das Kommunale Integrationszentrum Angebote. Je nach dem Grad der Integration haben die Flüchtlinge unter Umständen eine Chance, in Deutschland bleiben zu können.
Das hört sich nach vielen Aufgaben für den professionellen Vormünder an. Endet denn die Betreuung nach Dienstschluss?
Birgit Carduck: Genau hier setzt unser Projekt an: Die hauptamtlichen Vormünder kümmern sich um alle Ämter- und Behördenangelegenheiten, haben aber keine Zeit, auch die Freizeitgestaltung zu übernehmen. Wir suchen Ehrenamtliche, die mit den Jugendlichen die Freizeit gestalten, Nachhilfe geben, bei den Hausaufgaben helfen, gemeinsam Musik machen und so weiter.
Zudem haben wir festgestellt, dass einige junge Flüchtlinge aufgrund ihres jungen Alters und dem Wunsch nach Familie auch in Pflegefamilien besser aufgehoben wären als in Wohngruppen. Wir werben und schulen Pflegefamilien, die bereit sind, einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling bei sich zu Hause aufzunehmen.
Klappt denn da die Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen?
Birgit Carduck: Erstmal muss man sagen, dass sich auch die Vormünder weit über ihre Aufgaben hinaus für die jungen Flüchtlinge engagieren. Sie bekommen sehr wohl mit, dass die Jugendlichen engeren Kontakt suchen und auch an den Wochenenden gerne Ansprechpartner hätten. Die Vormünder werden zum Beispiel zu den Geburtstagsfeiern eingeladen. Das kann ein hauptberuflicher Vormund nicht leisten. So haben wir hier gute Erfahrungen mit unserem "Tandem-Modell" aus Rechts- und Freizeit-Begleitung gemacht. Ehrenamtler erklären den Flüchtlingen auch unser gesellschaftliches Leben in Deutschland. Erst dann ist unseres Erachtens Integration möglich.
Rückfragen/weitere Informationen: Doris König, SkF Bochum, Tel.: 0234/95501-0