Sie feiern das 20-jährige Jubiläum der St. Nikolaus Kinderheime: (v.l.) Katalin, Anni und Radu Miron, AncaChristoph Grätz
"Mit 16 bin ich hier wie in einer richtigen Familie aufgenommen worden. Anni und Radu sind für mich Mami und Tati." Jetzt steht Katalin wieder im Hof des Kinderheims St. Nikolaus im rumänischen Neupetsch. Mittlerweile ist er 29 Jahre alt. Vor einer Woche hat er seine Freundin Anca geheiratet, ein Mädchen aus dem Dorf. Auch wenn die beiden inzwischen in der Nähe von Trier leben, ist Neupetsch und St. Nikolaus irgendwie ihre Heimat geblieben. Katalin ist eines von 120 Kindern, das im Kinderheim St. Nikolaus groß geworden ist. Am Wochenende fuhr er extra nach Rumänien zurück. Um Geburtstag zu feiern. Denn vor genau 20 Jahren gründete die Caritas im Bistum Essen das Heim.
Zum Jubiläumsfest kamen fast 300 Gäste aus dem In- und Ausland, aus Kirche, Caritas, Politik und viele Unterstützer nach Neupetsch. Musik, Tanz, Kinder-Aufführungen: Nach der Heiligen Messe in der Dorfkirche feierten die Gäste im Gemeindehaus des kleinen Ortes. Dass hier mal ein bunter, ein lebenswerter Ort entstehen würde, war 1989 fast undenkbar.
Vegetierende Kinder in fauligen Behausungen
Damals schockierten Bilder aus rumänischen Heimen Deutschland: Kinder vegetierten vor sich hin, in den eigenen Exkrementen liegend, in schmutzigen, muffigen, fauligen und schimmeligen Behausungen, bewacht von Erwachsenen. "So haben wir es damals hier vorgefunden", erinnert sich Rudi Löffelsend, damaliger Leiter der Auslandshilfe der Caritas im Ruhrbistum, an seinen ersten Besuch. Ein Aufschrei der Entrüstung und eine Welle der Hilfe waren die Folgen. Mit Unterstützung der NRW-Landesregierung, die Millionenbeträge für Ost- und Südosteuropa bereitstellte, wurde die Ruhr-Caritas aktiv.
"Angefangen hatte alles mit den 30 Kindern, die vom rumänischen Staat als nicht lebenswert eingestuft worden waren. Die Caritas hat sich ihrer angenommen", so Radu Miron, der mit seiner Frau Anni einer der ersten Erzieher in St. Nikolaus war. Im Pfarrhaus in Neupetsch entstand das erste Modellkinderheim. Bald darauf konnten weitere Häuser in Neupetsch gekauft und umgebaut werden.
Heute besteht St. Nikolaus aus drei Häusern, in denen rund 30 Kinder und Jugendliche in familienähnlichen Strukturen aufwachsen. In einem weiteren Haus in Temesvar wohnen ältere Jugendliche, die in der Zwischenzeit in Ausbildung sind oder studieren. Alle Häuser haben einen Garten mit Gemüse, Blumen und Hühnern. "Auch nach dem EU-Beitritt Rumäniens nahm die Armut nicht ab. Die Verantwortlichen von St. Nikolaus erkannten, dass sie auch den Leuten im Dorf helfen mussten", so Löffelsend. So entstand 2000 eine Tagesstätte für rund 20 Kinder aus dem Dorf. Sie bekommen hier täglich Essen und Unterstützung bei den Hausaufgaben. Im ehemaligen Müllerhaus hat die Caritas eine Wärmestube mit Essensausgabe errichtet. 30 Seniorinnen und Senioren und arme Menschen aus dem Ort werden hier versorgt. Das neueste Projekt ist ein großes Gewächshaus, in dem Gemüse gezüchtet wird. "Wir konnten es mit Hilfe von Spenden aufbauen, mittlerweile erwirtschaftet es einen bescheidenen Gewinn", so Miron.
Dass hier etwa 120 Kinder groß - und die meisten wohl auch glücklich - geworden sind, ist auch Maria Maas zu verdanken. "Ich habe mein Herz hier in Neupetsch an Euch verloren", sagte Maas sichtlich bewegt auf der Jubiläumsfeier. Mitte der 90er Jahre ging sie als Referentin für Kinderhilfe bei der Caritas in den Ruhestand. Eigentlich wollte sie nach ihrer Pensionierung nur für ein paar Monate beim Aufbau von St. Nikolaus helfen. Daraus wurden mehr als zwanzig Jahre. Im alten Pfarrhaus unter dem Dach wohnend begleitete sie den Auf- und Ausbau der Kinderheime. Noch heute ist sie regelmäßig zu Gast - und wirbt in Deutschland weiter um Unterstützung.
Mehr als 1,5 Millionen Euro an Spenden hat die Caritas in 20 Jahren organisiert. "Unsere Mitarbeitenden spenden zum Teil etwas direkt von ihrem Gehalt", so Diözesan-Caritasdirektor Andreas Meiwes. So hilft die Caritas bis heute, die laufenden Kosten zu decken. Anni Miron bringt es auf den Punkt: "Viele Jungen und Mädchen haben in unseren Häusern ein Zuhause gefunden, haben eine Ausbildung gemacht und sind ganz tüchtige Menschen geworden. Für dieses Geschenk sind wir alle dankbar." (ChG)
- PI 108 / 2014 - Essen, den 18.09.2014