Caritas-Experten beantworten Fragen zur Pflegereform
Frank Krursel und Stephan Reitz Caritas / Christoph Grätz
Was ändert sich in Pflegeheimen?
Stephan Reitz: Früher stieg der von jedem einzelnen zu zahlende Eigenbeitrag fürs Heim mit der Pflegestufe. Viele Familien fürchteten deswegen eine Höherstufung. Das hat nun ein Ende. Innerhalb eines Heimes sollen die Eigenanteile aller Bewohner ab Pflegegrad zwei gleich hoch sein. Das hat nicht für alle Bewohner einen finanziellen Vorteil. Für Menschen der Pflegestufe 1 bislang wird im Pflegegrad 2 zukünftig 294 Euro weniger im Monat gezahlt. Im Vergleich zur bisherigen Pflegestufe 2 zum Pflegegrad 3 werden zukünftig 68 Euro weniger gezahlt - dafür erhalten alle Bewohner/innen im Pflegegrad 5 zukünftig deutlich mehr Geld zur Refinanzierung der Einrichtungskosten.
Was ändert sich für die ambulante Pflege?
Frank Krursel: In der ambulanten Pflege profitieren bereits heute die Mitarbeiter/innen von der Pflegereform. Denn das Gesetz stärkt die fachlichen Grundlagen der Pflege und fördert die Erarbeitung neuer Konzepte in den Sozialstationen. Konkret bedeutet das für die Pflegebedürftigen, dass sie passgenauere Leistungen erhalten. Die ambulante Unterstützung kann so früher beginnen und die Unterstützung verteilt sich gerechter auf den gesamten Pflegeverlauf.
Wer zu Hause gepflegt wird, bekommt einige Euro mehr für die sogenannte soziale Betreuung und kann sich damit weitere Leistungen im häuslichen Umfeld oder vielleicht einen weiteren Tag in der Tagespflege leisten. Diese in der Fachsprache als LK 31 und 32 bezeichneten Leistungen werden minutengenau mit der Pflegeversicherung abgerechnet. Es geht um Assistenz bei der Sicherstellung der Haushaltsführung, um Unterstützung bei administrativen Angelegenheiten oder bei der pflegerischen Betreuung. Aber auch um Unterstützung beim Hobby, Begleitung zu Freizeitaktivitäten oder auch zum Friedhofsbesuch.
Neu ist auch, dass pflegende Angehörige 40 Prozent des Budgets zu ihrer Entlastung einsetzen können.
Wie werden die Betroffenen informiert?
Stephan Reitz: Die ersten Pflegekassen haben ihre Kunden im Oktober über die Neuerungen informiert, andere versenden den neuen Bescheid in diesen Tagen. Bis Ende Dezember sollte jeder Post von der Pflegeversicherung bekommen haben. Die Träger der Einrichtungen werden, nach heutigem Stand, offenbar nicht von den Pflegekassen informiert, so dass die Pflegebedürftigen oder deren Bevollmächtigte aufgefordert sind den Bescheid der Pflegekasse an die Einrichtungen in Kopie weiterzuleiten.
Frank Krursel: Für Menschen in der ambulanten Pflege hat die Fachgruppe Ambulante Dienste der Caritas in NRW eine Broschüre erarbeitet, die den Caritaseinrichtungen zur Verfügung gestellt wird. Hier sind alle Neuerungen leicht verständlich erklärt und auch mit Arbeitshilfen versehen, etwa einem Pflegetagebuch oder auch Tipps, wie Betroffene und Angehörige sich auf den Besuch des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen zur Pflegebegutachtung vorbereiten können.
Anteil der Pflegegrade für die Begutachtung durch den MDK
Was ist noch neu?
Stephan Reitz: Bis vor einigen Jahren waren in den stationären Einrichtungen Angebote wie Gesellschaft beim Spazierengehen, Spielen oder Einkaufsbegleitung eine freiwillige Leistung. Künftig sind die Heime verpflichtet, Menschen einzustellen, die die Bewohner bei ganz alltäglichen Dingen begleiten wie Singen, Kartenspielen oder Fotos ansehen.
Wer bezahlt die Mehrkosten für die Zusatzleistung?
Frank Krursel: Zum einen sind die Konten der Pflegekassen gut gefüllt - zum anderen wurde der monatliche Beitrag zur Pflegekasse 2015 um 0,3 Prozentpunkte auf 2,35 Prozent angehoben, und zum 1. Januar 2017 steigt er erneut - auf 2,55 Prozent. Erwerbstätige ohne Kinder (über 23 Jahren) zahlen übrigens 0,25 Prozent mehr. Die Pflegekassen nehmen durch die Erhöhung im Jahr 2,4 Milliarden Euro zusätzlich ein.
Frank Krursel (1967 geboren) war 7 ½ Jahre als Pflegedienstleiter und Einrichtungsleiter in der ambulanten Pflege tätig. Seit 2009 ist Krursel Diözesan-Referent für ambulante Pflege und palliative Versorgung im Caritasverband für das Bistum Essen e. V.
Stephan Reitz (1967 geboren) ist seit 26 Jahren für die Altenpflege im Dienst der Caritas tätig. Seit Anfang 2016 ist Reitz Diözesanreferent für offene, teilstationäre und stationäre Altenhilfe im Caritasverband für das Bistum Essen e.V.
Die Caritas, ein starker Partner in der Pflege:
Allein in den 89 Einrichtungen der katholischen Altenhilfe im Bistum Essen betreuen rund 6000 Fachkräfte täglich 12.000 Menschen zwischen Ruhr und Lenne. In den 33 ambulanten Diensten in allen Städten des Bistums Essen versorgen etwa 1300 ambulante Pflegekräfte weitere 6300 Patienten/-innen. In ihren vier Fachseminaren bildet die Caritas im Bistum Essen jährlich rund 500 Altenpfleger/-innen aus und Fachkräfte fort. Zum Netzwerk der Caritas im Bistum Essen gehören zudem 18 katholische Krankenhäuser mit 28 Betriebsstätten, drei stationäre Reha-Einrichtungen und fünf Krankenpflegeschulen mit insgesamt 12.000 Mitarbeitenden. Dazu kommen sieben Palliative-Care-Pflegedienste (AAPV), zwei spezialisierte ambulante palliative Versorgungsdienste (SAPV), sechs stationäre Hospize und zwölf ambulante Hospizgruppen.