Doch nur gut ein Drittel dieser Arbeitslosen hat tatsächlich eine bezahlte Beschäftigung aufgenommen - 66 Prozent werden aus anderen Gründen nicht in die Statistik hineingerechnet. Sie zählen nicht mehr als arbeitslos, weil sie beispielsweise gerade krank oder auf Grund von Erziehungs- oder Pflegezeiten für das Arbeitsamt vorübergehend nicht verfügbar sind. Auch arbeitslose Menschen, die gerade an einer durch die Bundesagentur oder das Jobcenter geförderten Maßnahme teilnehmen, zählen während ihrer Teilnahme nicht als arbeitslos. Der neue Arbeitslosenreport der Wohlfahrtsverbände in NRW macht das deutlich.
"Die offizielle Statistik der Bundesagentur für Arbeit vermittelt ein falsches Bild, gesellschaftliche Realitäten werden verfehlt", kritisiert Matthias Schmitt, Direktor des Caritasverbandes für das Bistum Essen angesichts der Veröffentlichung des neuen Arbeitslosenreports. "Besser schaut man sich die Zahl der Unterbeschäftigten an, hier werden auch alle Personen mitgezählt, die faktisch arbeitslos sind", sagt Schmitt. Im Juni dieses Jahres waren das laut Arbeitslosenreport 183.000 Personen im Ruhrbistum, also rund 44.000 Menschen mehr, als in der offiziellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit ausgewiesen werden.
Auch die Gesamtzahl der als arbeitslos erfassten Menschen, die nicht wieder in die Erwerbsarbeit zurückkehren, sei aktuell definitiv zu hoch, sagt Schmitt. "Der Arbeitslosenreport belegt einmal mehr, dass die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit nach Arbeitslosigkeit vor allem Menschen gelingt, die noch nicht lange arbeitslos sind." Laut Statistik schaffen das etwa 50 Prozent. "Für langzeitarbeitslose Menschen ist es viel schwerer. Nicht einmal einem Viertel gelingt der Sprung in die Erwerbstätigkeit. Wir fordern deshalb den deutlichen Ausbau öffentlich geförderter Beschäftigung, die für viele dieser Menschen die einzig realistische Chance zur Teilhabe am Arbeitsmarkt ist", so Schmitt.
Um den Sprung in die Erwerbstätigkeit zu schaffen, ist man am besten männlich und/oder jung. Das belegt der Arbeitslosenreport bei der differenzierten Auswertung der Statistik nach Personenmerkmalen. "Diese Fakten sind Fachleuten längst bekannt", kritisiert Schmitt, "es ist notwendig, arbeitslose Menschen individuell zu fördern und Unterstützungsbedarfe dem und der Einzelnen anzupassen. Der Zugang zu Erwerbstätigkeit oder einem Weiterbildungsangebot muss unabhängig von Geschlecht und Alter gewährleistet sein."
Ältere Menschen und Personen in besonderen sozialen Schwierigkeiten wie Wohnungslose und Suchtkranke hätten ohne öffentliche Förderung kaum Chancen auf Teilhabe am Arbeitsmarkt, so Schmitt. Für sie brauche es zusätzliche Förderinstrumente, die eine Weiterbeschäftigung mit Lohnkostenzuschuss und Arbeitsvertrag notfalls bis zur Rente möglich machten.
Die Wohlfahrtsverbände fordern deshalb verstärkte Anstrengungen von Unternehmen und der öffentlichen Hand, um Arbeitsplätze zu schaffen und Arbeitsprozesse so zu gestalten, dass viele teilhaben können.
Hintergrund:
Die Wohlfahrtsverbände in NRW veröffentlichen mehrmals jährlich den "Arbeitslosenreport NRW". Basis sind Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Hinzu kommen Kennzahlen zu Unterbeschäftigung, Langzeitarbeitslosigkeit und zur Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften, um längerfristige Entwicklungen sichtbar zu machen. Der Arbeitslosenreport NRW sowie übersichtliche Datenblätter mit regionalen Zahlen können im Internet unter www.arbeitslosenreport-nrw.de heruntergeladen werden. Der Arbeitslosenreport NRW ist ein Kooperationsprojekt der Freien Wohlfahrtspflege NRW mit dem Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen.
In der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW haben sich 16 Spitzenverbände in sechs Verbandsgruppen zusammengeschlossen. Mit ihren Einrichtungen und Diensten bieten sie eine flächendeckende Infrastruktur der Unterstützung für alle, vor allem aber für benachteiligte und hilfebedürftige Menschen an. Ziel der Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW ist die Weiterentwicklung der sozialen Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Sicherung bestehender Angebote. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW weist auf soziale Missstände hin, initiiert neue soziale Dienste und wirkt an der Sozialgesetzgebung.