Genauer gesagt in Altena. Am Sonntag startete die erste Expedition. Aber der Reihe nach.
"Essen wurde seit Ende vergangenen Jahres geradezu überrannt von irakischen und syrischen anerkannten Flüchtlingen. Andererseits werden die Bedingungen für sie immer schwieriger, und die Stadt kommt immer mehr an ihre Grenzen", erklärt Rudi Löffelsend, Vorstandsmitglied der Caritas-Flüchtlingshilfe Essen, die Ausgangslage. Interessiert verfolgte er die Berichterstattung über Altena. "Die Stadt zeigte sich aufnahmebereit und hat bisher gute Erfahrungen gemacht. Deshalb ging mir der Gedanke nicht aus dem Kopf, ob nicht die in Essen ansässige Exilgemeinde der syrisch-katholischen Christen aus dem Irak dort eine neue Heimat finden könnte." Wer die Caritas-Koryphäe Löffelsend kennt, weiß, dass eine Idee bei ihm nicht lange eine Idee bleibt. Bei einer Gemeindeversammlung der Iraker stellte er seinen Gedanken vor - und erntete überwältigende Zustimmung. Aus der Idee ist ein handfestes Umzugsprojekt geworden.
Fünf Busse, ein Ziel: Mehr Integration
Die Gründe liegen für Löffelsend auf der Hand: "Die Integration in einer Kleinstadt gelingt besser als in einer Großstadt, weil man in viel engerem Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung steht." Zudem habe Altena in den vergangenen zehn Jahren fast 10 000 Einwohner verloren. Viele Wohnungen stünden leer. "Die Iraker könnten dort mitten unter den anderen Bewohnern leben", so Löffelsend. Altena bietet Arbeit, Wohnungen, gute Bleibe-Perspektiven und ist sehr an neuen Einwohnern interessiert. Altenas Bürgermeister warb wiederholt öffentlich um Flüchtlinge, auch um den Einwohner-Bestand zu sichern.
In Essen beklagen die Gemeindemitglieder, die zum Teil schon sehr lange hier leben, zum Teil aber auch erst vor Kurzem als Flüchtlinge ins Ruhrgebiet kamen, mangelnde Integration durch fehlenden Kontakt zu den deutschen Nachbarn. "Wir wohnen in Stadtteilen, die schon mit Flüchtlingen und Bewohnern mit Migrationshintergrund überbelegt sind, in Stadtteilen mit hoher Arbeitslosigkeit", sagt Talal Eshaq, der Vorsitzende der syrisch-katholischen Gemeinde. Das mache eine Integration nicht einfacher. "Altena verfügt über alle notwendigen Voraussetzungen, alle Schulformen, eine mittelständische Industrie, ausreichende Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten, ein Krankenhaus, vernünftige Verkehrsanbindungen", so Eshaq.
Zunächst initiierte Löffelsend mehrere Gespräche in Altena - mit dem Bürgermeister und dem katholischen Pfarrer Ulrich Schmalenbach. Bürgermeister Andreas Hollstein kam mit seinem Stellvertreter Stefan Kemper prompt nach Essen, stellte seine Kommune vor und lud die Iraker zu einem Besuch ein. Am Sonntag, 13. November, schließlich brachen die rund 250 irakischen Migranten in fünf Bussen ins Sauerland auf, um sich selbst ein Bild zu machen. Hollstein zeigte ihnen seine Stadt. Und den Gemeindemitgliedern gefällt’s. "Viele können sich ein Leben hier vorstellen, denn unser Eindruck ist gut", sagt Talal Eshaq. Schon am kommenden Sonntag soll es konkreter werden - die Familien wollen erklären, wer tatsächlich die Kisten packen und ins Sauerland ziehen möchte.
"Extrem wichtig war der Exilgemeinde auch, dass die katholische Pfarrei St. Matthäus in Altena offen und freundlich mit dieser Idee umging", betont Löffelsend. Die irakischen Christen können die St.°Matthäus-Kirche mitbenutzen und den Saal in einem leerstehenden Pfarrhaus nutzen. Auch das Bistum und die Caritas stehen der Idee offen gegenüber. Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck dankte dem Altenaer Bürgermeister in einem Schreiben für das "ehrgeizige und großartige Vorhaben" sowie für sein persönliches Engagement - und sagte Unterstützung zu.
Am Sonntag teilen die Familien bei einer weiteren Gemeindeversammlung in Heilig Kreuz ihre Entscheidungen mit. Und so kann es gut sein, dass das Möbellager der Caritas-Flüchtlingshilfe Essen bald ein paar Möbelspenden von ehemaligen Flüchtlingen bekommt, weil sie von der Ruhr an die Lenne ziehen. "Wer weiß", ahnt Rudi Löffelsend, "vielleicht ist das ein Beispiel für weitere Initiativen." Weitere Infos unter https://www.facebook.com/fluechtlingshilfe.essen (mik/tr)
Pressekontakt: Rudi Löffelsend, 0171 83 57 187
Presse-Info - Caritas-Flüchtlingshilfe Essen e.V.
17. November 2016