Empfang des Gewerkschaftsführers vor dem HAUS DER UNTERNEHMER (v.l.n.r.): Heinz D. Diste (Contilia GmbH, St. Elisabeth Stiftung e.V.), Martin Jonetzko (Unternehmerverband), Frank Bsirske (Verdi), Elisabeth Schulte (Unternehmerverband) und Andreas Meiwes (Caritas) Unternehmerverband
"Sollte unsere Klage vom Bundesverfassungsgericht abgewiesen werden, werden wir weiter zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen", kündigte der Gewerkschaftsführer an.
Erstmals sprach Bsirske vor Caritas-Vertretern und Mitgliedern des Unternehmerverbandes über die ver.di-Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, mit dem die Gewerkschaft das Streikrecht in Kirchen durchsetzen will. "Sie sprechen 1,2 Millionen Arbeitnehmern bei den Kirchen das Recht ab, streiken zu dürfen, was grundgesetzlich verankert ist. Das steht Ihnen nicht zu", sagte Bsirske. Die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen bei kirchlichen Arbeitgebern sei keine rein innerkirchliche Angelegenheit. Der starke Wettbewerbsdruck im sozialen Sektor habe darüber hinaus zunehmend zu Lohndumping geführt, wobei Bsirske hier ausdrücklich die Caritas von seiner Kritik ausnahm.
ver.di bestreite nicht das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. "Unser Anliegen richtet sich nicht gegen Kirchlichkeit oder Religiosität. Aber Streikrecht und Tarifverträge richten sich nicht gegen den Sendungsauftrag der Kirchen." Gleichzeitig bot Bsirske den Kirchen eine konstruktive Zusammenarbeit an: "Wir wollen gemeinsam mit der katholischen Kirche die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen in den kirchlichen Einrichtungen weiter entwickeln. Wir wollen Wege finden, wie man in Respekt der gegenseitigen Position zu Tarifverträgen kommt." Kirchen und Gewerkschaften stünden gemeinsam für moralische Werte und soziale Gerechtigkeit. "Wir wollen da, wo wir gemeinsame Interessen und Ziele verfolgen können, zusammenarbeiten", unterstrich Bsirske.
Der Dritte Weg hat sich bewährt
"Solange ver.di den Dritten Weg nicht akzeptiert, können die Gewerkschaften nicht erwarten, dass wir sie mit offenen Armen empfangen", konterte Andreas Meiwes, Direktor des Caritasverbandes für das Bistum Essen. "Der Dritte Weg hat sich bewährt, er muss verändert werden, und dazu sind die Gewerkschaften eingeladen", so Meiwes. Die katholische Kirche habe die Einbindung der Gewerkschaften in den Dritten Weg bereits geregelt. "Es ist ein Märchen, dass bei kirchlichen Dienstgebern schlechtere Arbeitsbedingungen herrschen. In der Regel liegt der Caritas-Tarif sehr nah am TVöD - und ist im Schnitt sogar besser, als die Bedingungen, die Gewerkschaften in diesen Bereichen bislang verhandelt haben."
Heinz D. Diste, Hauptgeschäftsführer der Contilia GmbH und St. Elisabeth-Stiftung e.V. Essen/Mülheim: "Wir hätten im harten Wettbewerb überhaupt keine Chance, wenn wir schlechte Arbeitsbedingungen hätten." Darüber hinaus sei die Caritas "die Mutter des Flächentarifvertrages - es gibt im Sozialbereich keine größere tarifliche Abdeckung. Die Kirchen nennen es nur nicht ‚Tarifvertrag‘", so Diste. Bislang seien seitens der Mitarbeitenden Forderungen nach einer gewerkschaftlichen Beteiligung nicht zu erkennen. "Die allermeisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind mit dem Dritten Weg und den daraus resultierenden Arbeitsbedingungen zufrieden", so Diste.
"Wir stehen am Anfang einer Zweck-Ehe", resümiert Meiwes die Debatte. "Sicher ist das keine Liebesheirat, aber wir sind bereit, uns mit den Gewerkschaften für gute Bedingungen im Sozialsystem zu engagieren. Der heutige Abend war ein guter Anfang für die Gespräche", so Meiwes. In einem sind sich die Caritas und der ver.di-Chef übrigens einig: Soziale Arbeit muss besser bezahlt werden.
Die Geschäftsführerin des Unternehmerverbandes Soziale Dienste und Bildung, Elisabeth Schulte, dankte abschließend allen Beteiligten für die intensive, kontroverse, aber auch konstruktive Diskussion. "Derzeit gibt es im sozialen Bereich mehr als 1500 verschiedene Tarifverträge." Hier seien noch viele offene Fragen. "Denn auch wenn viele Einzelfragen noch geklärt werden müssen - durch die vom Bundesarbeitsgericht vorgegebene Einbindung der Gewerkschaften müssen sich Kirchen und Gewerkschaften jetzt gemeinsam auf den Weg machen", so Schulte.
Der 2. Kirchliche Dienstgebertag habe gezeigt, wie wertvoll die Zusammenarbeit von kirchlichen Einrichtungen und Unternehmerverband sei. Beide Seiten profitierten von den Kompetenzen, die sich bei dieser Thematik bestens ergänzten. Es gehe nun darum, sich für die Zukunft optimal aufzustellen. Dies sei eine unternehmerische Aufgabe, die man innovativ und konstruktiv angehen müsse.
Die Veranstalter:
Der Unternehmerverband Soziale Dienste und Bildung unterstützt als Arbeitgeberverband soziale Dienstleister wie zum Beispiel Behinderten- und Senioreneinrichtungen, ambulante Pflegedienste, Wohlfahrtsverbände, Bildungseinrichtungen und Zeitarbeitsfirmen bei der Gestaltung der Arbeitsbeziehungen mit und ohne Tarifbindung und unterstützt sie arbeitsrechtlich. Er hat bundesweit rund 100 Mitglieder.
Der Caritasverband für das Bistum Essen e. V.ist Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege. Er ist Dachverband für die katholischen, caritativen Einrichtungen im Bistum Essen, das sind insbesondere die Ortscaritasverbände, die katholischen Krankenhäuser, Altenhilfe- und Behinderteneinrichtungen, Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen. Bei den 107 Caritas-Mitgliedern arbeiten 27.000 Menschen. Bundesweit sind in Einrichtungen der Caritas ca. 550.000 Mitarbeiter beschäftigt.