"Als Caritas im Bistum Essen stehen wir fest an der Seite der geflüchteten Menschen aus der Ukraine. Wir teilen ihre Sorgen und Ängste um Verwandte und Freunde, die in der Ukraine geblieben sind, und unterstützen sie dabei, in unserer Gesellschaft ihren Platz zu finden. Mit der Hilfe vieler engagierter Haupt- und Ehrenamtlicher tun wir alles dafür, dass sie sich willkommen und sicher fühlen." Mit dieser Botschaft unterstreicht Stefanie Siebelhoff, Caritasdirektorin für das Bistum Essen, die uneingeschränkte Solidarität mit den Geflüchteten aus der Ukraine anlässlich des 24. Februars, an dem sich der Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine zum zweiten Mal jährt.
Dass die Willkommenskultur ungebrochen ist, bestätigt Marghalei Nayebkhail-Popal, Sozialarbeiterin in einer Flüchtlingsunterkunft der Caritas-SkF-Essen gGmbH (cse) in Altenessen: "Wir werden unter anderem von pensionierten Ärzten, Lehrern und Erzieherinnen unterstützt, die Angebote für Kinder und Erwachsene machen, wie z. B. Basteln, Sprachkurse, Exkursionen. Sogar eine Kleiderkammer haben wir, die einmal wöchentlich für zwei Stunden öffnet und gut besucht ist. Wir sind unseren Ehrenamtlichen wirklich sehr dankbar!"
Sich in der neuen Umgebung zurechtfinden
In der Unterkunft im Essener Norden, im ehemaligen Krankenhaus Marienhospital, leben derzeit rund 150 Personen, fast ausschließlich Geflüchtete aus der Ukraine - darunter viele Frauen mit Kindern, aber auch alte Menschen. Vor einem Jahr waren noch fast doppelt so viele Geflüchtete hier untergebracht. Beim Ankommen in der deutschen Gesellschaft habe vor allem das kurzfristig aufgelegte "Caritas for Ukraine"-Projekt, kurz C4U, sehr geholfen, sagt Nayebkhail-Popal. Die vom Caritasverband für das Bistum Essen zur Unterstützung der Geflüchteten bereitgestellten Mittel habe man vor allem dazu genutzt, den Menschen ganz praktisch zu erklären, wie das Leben in Deutschland funktioniert: Wie ist das Schulsystem aufgebaut? Wer hilft mir, wenn ich krank bin? Wie bin ich versichert? Wie arbeiten Politik und Verwaltung? "Aber wir haben auch ganz praktische Orientierungsangebote gemacht", berichtet die Sozialarbeiterin, "gemeinsame Ausflüge in den Stadtteil, in die weitere Umgebung und an kulturell wichtige Orte, wie die Zeche Zollverein. Da hat uns die Stiftung Zollverein sogar Karten für eine Führung geschenkt."
Der Integrationswille sei unterschiedlich ausgeprägt, weil immer noch viele Geflüchtete darauf hofften, dass der Krieg bald enden und sie nach Hause zurückkehren könnten, erklärt Nayebkhail-Popal. Manche reisten regelmäßig zur polnisch-ukrainischen Grenze, um dort Verwandte zu treffen oder in der Ukraine ihre Rentenzahlung abzuholen. "Gerade Familien, deren Väter und Männer in der Ukraine kämpfen, sind zerrissen. Ihnen fällt es schwer, hier anzukommen." Nayebkhail-Popal beobachtet bei einigen auch Alkoholmissbrauch, obwohl der Konsum von Alkohol in der Unterkunft verboten ist, und führt das auf die schwierige Situation der Geflüchteten zurück: "Viele haben Angehörige und Freunde im Krieg verloren und kommen über den Verlust nicht hinweg. Manche leben auch in ständiger Angst um ihre Familie."
Dennoch überwiege das Positive bei allen Schwierigkeiten, sagt die Sozialarbeiterin und verweist auf Integrationserfolge, wie bei der Vermittlung von Sprachkursen und Wohnungen. Besonders berührt hat sie diese Begegnung: "Letzte Woche stand plötzlich eine ukrainische Frau vor meinem Büro mit Tränen in den Augen und sagte: ‚Ich möchte mich heute verabschieden, ich habe eine Wohnung gefunden. Darf ich Sie umarmen?‘ Sie war so dankbar für die Hilfe, die sie erfahren hatte."
Jeder Fünfte hat einen Job gefunden
Auch kürzlich veröffentlichte Zahlen der Bundesregierung untermauern, dass die Menschen aus der Ukraine gut integriert sind. In dem Bericht heißt es, dass derzeit rund 1,1 Million ukrainische Geflüchtete in Deutschland leben, von denen rund 716.000 im erwerbsfähigen Alter, also zwischen 15 und 65 Jahre, sind. Gut jeder Fünfte von ihnen habe eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gefunden. 36.000 Menschen würden einem Minijob nachgehen. Für Caritas-Direktorin Siebelhoff ist das ein deutliches Zeichen, "dass wir als Gesellschaft in der Lage sind, die Menschen aufzunehmen und ihnen eine Perspektive zu bieten".
Am 22. Februar gibt es in der Altenessener Flüchtlingsunterkunft eine kleine Gedenkveranstaltung anlässlich des Kriegsbeginns in der ehemaligen Kapelle des Marienhospitals. Die Geflüchteten haben sie mitvorbereitet. Gemeinsam wollen sie dafür beten, dass der Krieg bald endet. Die Kinder haben ihre Sorgen und Ängste vorab aufgemalt und aufgeschrieben, die sie dann einem selbst gebastelten "Sorgenfresser" ins Maul werfen werden.
Nicola van Bonn