Dies geht aus einer Studie zu den Bildungschancen in Deutschland hervor, die der Deutsche Caritasverband seit dem Jahr 2012 regelmäßig herausgibt. "Wir sehen mit Besorgnis, dass im Ruhrgebiet die Schulabbrecherquote nach wie vor zum Teil drastisch über dem Landesdurchschnitt liegt", sagt Sabine Depew, Direktorin der Caritas im Bistum Essen. Während in NRW 2017 im Durchschnitt 6,1 Prozent der Schülerinnen und Schüler vorzeitig die Schule verlassen (im Jahr 2015: 5,8 Prozent), sind es in Duisburg 7,4 Prozent (2015: 6,6 Prozent), in Essen 8,7 Prozent (2015: 7,7 Prozent) und in Bochum 8,0 Prozent (2015: 6,8 Prozent). Gelsenkirchen hält in der Region erneut den Negativ-Rekord von 12,3 Prozent (2015: 11,9 Prozent).
Deutschlandweit lag laut Caritas-Studie die Quote der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss im Jahr 2017 bei 6,9 Prozent. Sie war damit einen Prozentpunkt höher als 2015 und lag auf demselben Niveau wie vor zehn Jahren. Bundesweit sind über 52.000 Jugendliche betroffen. In den meisten Kreisen und kreisfreien Städten sind die Quoten angestiegen, allerdings auf unterschiedlichem Niveau. Die Daten für alle Kreise und kreisfreien Städte können unter www.caritas.de/bildungschancen abgerufen werden.
Bildung: Eine Herausforderung für Zugewanderte
Zuwanderung ist, so die Autorinnen der Studie des Deutschen Caritasverbandes, einer der Erklärungsfaktoren für die gestiegenen Zahlen. Für viele zugewanderte Jugendliche sei es eine große Herausforderung, innerhalb kurzer Zeit eine neue Sprache zu lernen und einen Schulabschluss zu machen. Hinzu kommt, dass die schulische Vorbildung der jungen Zuwanderer sehr unterschiedlich ist. Ein weiteres Hemmnis gerade auch für geflüchtete Kinder und Jugendliche besteht darin, dass sie während der Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung häufig nicht sofort eine Schule besuchen können.
Der Deutsche Caritasverband weist darauf hin, für die Interpretation der aktuellen Daten gelte, dass sich sowohl die Regelungen zur Beschulung neu zugewanderter Kinder und Jugendlicher in den einzelnen Bundesländern (und deren Umsetzung in den Kommunen) unterscheiden als auch die statistische Erfassung ihrer dort erworbenen Abschlüsse. Die eingeschränkte Vergleichbarkeit der Daten erfordere, die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort genau zu prüfen. Nur so sei es möglich, Ergebnisse richtig einzuschätzen und in ihren Zusammenhängen zu verstehen.
Digitale Instrumente der schulischen und vorschulischen Bildung nutzen
„Die digitalen Möglichkeiten, Kinder und Jugendliche zu bilden, sind längst noch nicht ausgeschöpft.“ Caritasdirektorin Sabine Depew zur Caritas-Bildungsstudie 2019Nicole Cronauge
"Unsere Möglichkeiten, Kinder und Jugendliche zu bilden, damit sie ihr Leben eigenverantwortlich führen können, sind längst noch nicht ausgeschöpft", so die Essener Caritasdirektorin Depew, die sich als Erziehungswissenschaftlerin intensiv mit dem Thema Bildung und Bildungstechnologien befasst hat. Bildung und Erziehung seien zwei Seiten einer Medaille. "Treffender benutzt man im Englischen den Begriff ´Education`, der die individuelle Persönlichkeitsentwicklung und -förderung bezeichnet und nicht die Anhäufung von Schulwissen." Genau dies finde in den caritativen Einrichtungen statt: In der Jugendhilfe, in Kitas, im offenen Ganztag und den außerschulischen Angeboten. "Für Kinder und Jugendliche mit individuellen Lernbedarf braucht es entsprechende Methoden und Räume. ‚Der Raum ist der dritte Erzieher‘ heißt es nicht nur in der frühkindlichen Bildung." Auch digitale Lernmethoden seien eine wichtige Unterstützung, so Depew: "So wie in den 60er Jahren die Sesamstraße in den USA entwickelt wurde, um Kindern in der Bronx Lesen und Schreiben beizubringen, gibt es heute zahlreiche Apps, YouTube-Videos und interaktive Lernspiele, die Lernen und Bildung fördern." So böte die digitale Sprachförderung für Zugewanderte Erfolg versprechende Ansätze: "Wer zügig die Landessprache lernen kann, orientiert sich schneller in unserem Schulsystem, macht einen Abschluss und findet anschließend seinen Weg", so Depew, "dafür muss allerdings zunächst in die Entwicklung digitaler Instrumente und die entsprechende Lehrmethode investiert werden." Gehe man diese Lösungen nicht an, sei der Preis hoch: "Vielen der Schulabbrecher begegnen wir später im Hilfesystem wieder - weil sie Schulden haben, ungeplant schwanger werden oder Sozialberatung brauchen."