"Hass und Gewalt spalten und zerreißen eine Gesellschaft, sind eine Bedrohung für das friedvolle Zusammenleben. Als Caritas positionieren wir uns klar dagegen." Mit dieser Botschaft eröffnete Dr. Frank Johannes Hensel, Sprecher der Caritasdirektoren in NRW, am Montag, 10. März 2023, eine Fachtagung zum Thema "Antisemitismus" in der Alten Synagoge in Essen. Unter dem Motto "Miteinander Gegeneinander? - Warum wir uns gegenseitig ausgrenzen" trafen sich rund 60 Expertinnen und Expertinnen, um Ursachen und Auswirkungen von Ausgrenzung zu diskutieren und was man dagegen tun kann. Dazu eingeladen hatten die nordrhein-westfälischen Diözesan-Caritasverbände mit Unterstützung des Kommunalen Integrationszentrums der Stadt Essen sowie der Alten Synagoge Essen.
Angriff auf demokratische Werte
Caritasdirektor Hensel rief noch einmal den jüngsten Anschlag auf die Alte Synagoge vom 18. November vergangenen Jahres in Erinnerung. Damals waren mehrere Schüsse auf das Rabbinerhaus neben der Alten Synagoge abgegeben worden, glücklicherweise ohne dass jemand verletzte wurde. Hensel betonte, dass die Caritas in NRW gemeinsam mit den anderen Wohlfahrtsverbänden seit Jahrzehnten partnerschaftlich mit den Jüdischen Landesverbänden verbunden sei. Deshalb sei dieser Terroranschlag als "Angriff auf gemeinsame freiheitliche und demokratische Werte, auf die Vielfalt unserer Gesellschaft und die Kraft der Wohlfahrtsverbände" zu werten.
Antisemitische Verbrechen hätten in den letzten Jahren leider wieder zugenommen, so Hensel. Kern des Antisemitismus sei es, "Menschen zu gruppieren und zu markieren, sie damit zu entindividualisieren und die mitmenschliche Anteilnahme und Rücksichtnahme systematisch auszuschalten". Angesichts wieder aufstrebender antisemitischer Verschwörungstheorien und Hass, könne "die Verantwortung nicht an die jüdische Gemeinde oder einige staatstragende Politiker und Philosophen ausgelagert werden", forderte Hensel. Auch die Caritas sei aufgerufen, sich klar zu positionieren und entschieden zu handeln.
Caritas steht gegen Antisemitismus
"Wir stehen gegen Antisemitismus und jedwede Menschenfeindlichkeit, wir treten ein für unser demokratisches und freiheitliches Gesellschaftssystem insbesondere für den Schutz der ausgegrenzten Menschen und Gruppen", bekräftigte der Caritasdirektor.
Einen inhaltlichen Impuls zu "Strategien der Prävention und Intervention gegen moderne Formen des Antisemitismus" lieferte im darauffolgenden Vortrag Jörg Rensmann, Leiter der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Nordrhein-Westfalen (RIAS NRW) in Düsseldorf. Antisemitismus gebe es in allen Schichten, auch in der gesellschaftlichen Mitte, stellte Rensmann klar. Der gesellschaftliche Rahmen für das, was Menschen für öffentlich sagbar halten, habe sich verschoben, ja sogar erweitert.
Antisemitismus analysieren und verstehen
Als Beispiel dafür führte Rensmann die antisemitischen Darstellungen auf einem Bild an, das auf der Documenta 2022 in Kassel gezeigt wurde. Deswegen sei es so wichtig, die Funktionsweisen des modernen Antisemitismus zu analysieren, zu erklären und zu verstehen. "Es muss alters- und zielgruppengerechte Bildungsangebote an Kitas und Schulen geben, Hilfsangebote für die Reflexion eigenen Denkens und Verhaltens", forderte der Experte - auch in der Lehrerfortbildung. Seine Kritik richtete sich auch gegen falsche Darstellungen in Unterrichtsmaterialien: "Die Schulbücher in NRW gehören dringend überarbeitet!"
Darüber hinaus müsse es eine konsequente Bestrafung antisemitischer Straftaten geben. Nur so könne die jüdische Bevölkerung wieder Vertrauen in die staatlichen Institutionen entwickeln, das oft verloren gegangen sei. "Sie alle können einen Beitrag zur Intervention leisten", wandte sich Rensmann an die Zuhörerinnen und Zuhörer, "wenn Sie antisemitische Straftaten melden."
Lebhafte Diskussion im Podium
Im Anschluss diskutierten Rensmann, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Antisemitismusbeauftragte des Landes NRW, Dr. Uri Kaufmann, Leiter der Alten Synagoge Essen und die Publizistin und Autorin Sineb El Masrar darüber, inwieweit Gegenwart und Geschichte des jüdischen Lebens in Deutschland von Antisemitismus geprägt waren und sind.
Am zweiten Tag ging es in Fachforen um unterschiedliche Aspekte von Ausgrenzung, Rassismus und Antisemitismus sowie um Strategien dagegen.
Nicola van Bonn