Seit dem 1. Januar 2020 erfolgt die Ausbildung in der Pflege auf Grundlage des Pflegeberufegesetzes. Damit wurden die im Altenpflegegesetz und im Krankenpflegegesetz getrennt geregelten Pflegeausbildungen in einer gemeinsamen Ausbildung zusammengeführt. Richtigerweise muss man sogar sagen, eine neue Pflegeausbildung ist in Umsetzung gegangen. Die Träger der praktischen Ausbildung, die Pflegeschulen und nicht zuletzt die Auszubildenden mussten sich in den letzten drei Jahren den daraus resultierenden Herausforderungen stellen.
Im Frühjahr 2023 sind die ersten generalistisch examinierten Pflegefachkräfte aus der Ausbildung in die Praxis gekommen. Zwei Praktikerinnen der Pflegeausbildung ziehen eine Zwischenbilanz: Sr. Dr. Anette Chmielorz ist stellvertretende Schulleitung der Katholischen Schule für Pflegeberufe in Essen, Helga Nottebohm Geschäftsführerin.
Was sind die pflegerischen Kernthemen, die alle Absolvent/innen der neuen Pflegeausbildung beherrschen müssen?
Ein Kernelement der Ausbildung ist die Pflegeprozesssteuerung. Das Erarbeiten pflegerischen Handelns geschieht exemplarisch anhand von Pflegesituationen, die alle Altersstufen und alle pflegerischen Settings berücksichtigen. Das in der Schule Gelernte kann dann in den verschiedenen Einsatzorten geübt und vertieft werden. Dazu muss die Zusammenarbeit zwischen Schule, Praxisträgern und deren Praxisanleiter/innen, sowie der Träger untereinander gut funktionieren. Die Pflegeprozessteuerung gilt übrigens als Vorbehaltsaufgabe, die nur durch Pflegefachkräfte wahrgenommen werden darf. Hier gibt es noch erhebliche Abstimmungs- und Regelungsbedarfe zwischen den verschiedenen Professionen im Gesundheitswesen.
Wie funktioniert bei der generalistischen Ausbildung die Zusammenarbeit der Altenhilfeeinrichtungen, Krankenhäuser und ambulanten Pflegedienste als Träger der praktischen Ausbildung mit Ihrer Schule?
Kommunikation ist an jeder Stelle gefordert und die Verbindlichkeit dazu. In unserer Schule gibt es aufgrund langjähriger Praxis regelmäßige Austauschtreffen aller an der Ausbildung Beteiligten. Das betrifft die Ebenen der Praxisanleitungen/Ausbildungsbeauftragten in allen Settings sowie die Pflegedienstleitungen und Pflegedirektor/innen. Darüber hinaus kommunizieren wir auch zunehmend digital und meinen damit mehr als Videocalls.
Ein oft formuliertes Argument gegen die Generalistik: Sie bildet Generalisten aus, gebraucht werden Spezialisten. Pflege ist ein hochprofessionalisierter Beruf, ob im Krankenhaus, in der Senioreneinrichtung, in der Kinderkrankenpflege oder in ambulanten Diensten. Kann eine generalistische Ausbildung wirklich alle Bedürfnisse der Praxis erfüllen?
In der Pflegeausbildung - sowohl gestern als auch heute - wurde ein großer Teil des Expert/innenwissens immer erst im spezifischen Berufsfeld erworben. Mit der generalistischen Ausbildung und der darin hinterlegten Kompetenzorientierung kommen die frisch Examinierten mit einem anderen Kompetenz- und Wissensbestand in die Praxis. Die Übertragbarkeit des Erlernten auf das konkrete Aufgabenfeld hat Begrenzungen. Wir sind uns einig, dass es im Anschluss an das Examen direkt im ersten Berufsjahr eine Form von "Anschlusslernen" geben muss. Lebenslanges Lernen gewinnt eine neue Bedeutung. Wir arbeiten dazu aktuell gemeinsam mit der Praxis am Konzept "Anschlusslernen". Innerhalb des ersten Berufsjahres sind drei Module mit spezifischen Inhalten geplant. Diese sind so konzipiert, dass die Mitarbeiter/innenbindung und der Verbleib der Pflegekräfte im Beruf dadurch gestärkt werden soll.
Was waren die größten Herausforderungen für Ihre Schule?
In den ersten Monaten des Jahres 2020 mussten wir die zwei bis dahin eigenständiges Schulen zu einer großen generalistischen Pflegschule mit ca. 700 Ausbildungsplätzen zusammenführen. Parallel galt es, die noch bestehenden Ausbildungsgänge der Altenpflege und Kinderkrankenpflege und Gesundheits- und Krankenpflege sicher und geordnet zu Ende zu bringen. Darüber hinaus galt es zwei Lehrerteams mit unterschiedlichen Kulturen zusammenzuführen. Zuletzt sei bemerkt, dass die Pandemie in 2020 den Ausbildungsbeginn maximal belastet hat.
Gibt es Unterschiede in der Auslastung von Pflegeschulen, die vorher in der Krankenpflege oder in der Altenpflege ausgebildet haben?
Es gibt unseres Erachtens weniger die Problematik der Rekrutierung- zumindest im Ruhrgebiet - als die Frage des Verbleibs in der Ausbildung. Wir notieren überhaupt unter den Schulen eine höhere Abbruchquote der Auszubildenden, sicher auch aufgrund von unzureichender Sprachkompetenz und "schwierigeren Bildungsbiographien". Die steigenden Abbruchquoten sind insbesondere für kleinere Schulen eine Existenzbedrohung.
Nicht nur in der Pflege, auch in der Pflegeausbildung ist die Personaldecke dünn. Haben Sie an Ihrer Schule genügend Fachlehrer/innen für die Ausbildung?
Wir haben genügend Pädagog/innen, die von der Bezirksregierung anerkannt sind. Das ist aber immer nur eine Momentaufnahme und wir arbeiten kontinuierlich an der Rekrutierung und Förderung des pflegepädagogischen Nachwuchses.
Ein Wort noch zur Finanzierung: Sind die bereitgestellten Mittel auskömmlich, um die Pflegeausbildung zu finanzieren?
Aus Sicht unserer Schule ist die Finanzierung in NRW aktuell grundsätzlich auskömmlich. Aber auch uns beschäftigen zunehmend Themen, wie Inflationsprämien, Tariferhöhungen, Energiekosten, Digitalisierung, Qualifizierungsmaßnamen usw.
Kann es mit der Pflegeausbildung so weitergehen, wie in der Erprobungsphase, oder was sollte verbessert werden?
Da gibt es sicherlich unterschiedliche Wünsche, auf Grund der dann doch teilweise unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern. Die "Nadelöhr Bereiche" Pädiatrie, Psychiatrie und bei uns auch der ambulante Bereich müssen sicherlich noch einmal kritisch diskutiert werden. Die Förderung der Auszubildenden während der Ausbildung braucht heute schon kreative Ideen, damit Abbruchquoten reduziert werden. Grundsätzlich bleibt immer noch die Frage der Durchlässigkeit in der Pflegebildung, beginnend mit der Helfer-bzw. Assistenzqualifikation bis hin zur Akademisierung in der Pflege.
Die Fragen stellte Christoph Grätz.
Im Netzwerk der Caritas im Bistum Essen gibt es 13 Schulen für die Pflegeausbildung. Dies sind in der Altenhilfe: 7 Pflegeschulen zur generalistischen Ausbildung
Im Krankenhaus/Rehabereich: 6 Pflegeschulen mit 2299 Plätzen, davon 2051 für Pflegeberufe. Quelle Tätigkeitsbericht des DiCV Essen 2021/2022