Emilia Kupferschmidt, Referentin für Migration, Flucht, und Integration beim Caritasverband für das Bistum Essen
Caritas / Christoph Grätz
"Es ist die vordringliche Aufgabe einer menschlichen Gesellschaft und eines Sozialstaats, benachteiligte Menschen aufzunehmen und zu unterstützen. Dafür braucht es eine sichere und auskömmliche Finanzierung - gerade im Blick auf die wachsende Zahl von Menschen, die bei uns Zuflucht suchen!" Mit diesem Appell macht Emilia Kupferschmidt, Referentin für Migration, Flucht, und Integration beim Caritasverband für das Bistum Essen, auf die unsichere Zukunft der Migrationsberatung für Erwachsene (MBE) aufmerksam. Die MBE richtet sich an Eingewanderte und Menschen mit Migrationshintergrund ab 27 Jahre. Ziel ist es, Teilhabechancen zu verbessern und zum Gelingen von Integration beizutragen, beispielsweise durch Vermittlung in Sprachkurse und Weiterbildungen.
"Im letzten Jahr konnte eine Kürzung der Bundesmittel von 76 auf 57 Millionen Euro - also eine drastische Verminderung um 25 Prozent - gerade noch abgewendet werden", berichtet Kupferschmidt. Trotzdem fehlten den Beratungsstellen finanzielle Mittel. Die jüngsten Tarifabschlüsse hätten Löcher in die Haushalte gerissen. "Wenn die freien Träger die Finanzlöcher bei der MBE nicht stopfen können und deshalb Stellen wegfallen, kommt das einer Kürzung gleich", warnt die Caritas-Referentin und verweist auf den Beschluss zur gemeinsamen Flüchtlingspolitik von Bund und Ländern am 10. Mai dieses Jahres. Darin heißt es: "Deutschland braucht eine bundesweite, krisenfeste Integrationsinfrastruktur, die Integration von Anfang an ermöglicht. Der Bund wird migrationsspezifische Beratung, Erstorientierungs- und Integrationskurse des BAMF sowohl quantitativ als auch qualitativ bedarfsgerecht ausbauen." Dieser Absichtserklärung müssten auch Taten folgen, so Kupferschmidt.
Laut eigenen Angaben haben im Jahr 2022 in den MBE-Beratungsstellen der Caritas im Bistum Essen 2.487 Menschen Hilfe gesucht. Pro Vollzeitpersonalstelle waren das umgerechnet rund 265 Fälle im Jahr. Anspruch der professionellen Beraterinnen und Berater ist es, mit dem Hilfesuchenden gemeinsam einen individuellen Förderplan zu entwickeln, der soziale und berufliche Kompetenzen berücksichtigt, um eine den Fähigkeiten entsprechende Erwerbstätigkeit aufnehmen zu können. "Vor dem Hintergrund des derzeitigen Fachkräfte- und Arbeitskräftemangels in Deutschland ist diese sozialpädagogisch begleitete und fachlich kompetente Beratung nicht nur eine große Chance für die Zugewanderten, sondern auch für unsere Gesellschaft", betont Kupferschmidt. Außerhalb der MBE würden Hilfesuchende oft kein passendes Angebot finden, weil es in der allgemeinen Sozialberatung oder in kommunalen Behörden an Erfahrungen mit migrationsspezifischen Problemlagen fehle. Auch sei die Sprachbarriere für viele Ratsuchende eine Hürde.
Laut der Statistik der MBE-Beratungsstellen der Caritas im Bistum Essen stellten die Ukrainerinnen und Ukrainer im vergangenen Jahr mit 478 Fällen die zweitgrößte Gruppe der Ratsuchenden. Spitzenreiter hinsichtlich der Beratungszahlen ist - wie auch in den vergangenen Jahren - Syrien mit 634 Fällen. Der noch immer herrschende Bürgerkrieg in Syrien ist auch aktuell Herkunftsstaat vieler Geflüchteter und deren Angehörigen im Rahmen des Familiennachzugs. Die Zahlen zeigen zudem, dass die meisten Beratenen seit mehr als fünf Jahren dauerhaft in Deutschland leben und damit deutlich länger, als die für den spätesten Start des Förderprogramms vorgesehenen drei Jahre. "Ein Indiz dafür, dass Asylverfahren zu lange dauern und Integration verschleppt wird", kritisiert Kupferschmidt, "lang andauernde Asylverfahren erschweren die Integration zusätzlich und erfordern eine längerfristige Begleitung." Durch die konkrete Arbeit in den Beratungsstellen setze sich die Caritas deshalb dafür ein, Integrationsbarrieren ab- und oftmals behördlich verspieltes Vertrauen wieder aufzubauen. Denn, so Kupferschmidt: "Echte Integration wird erst möglich, wenn Geflüchtete sowie Migrantinnen und Migranten gleichberechtigt Teilhabe an Bildung und am Arbeitsmarkt haben."