Bereits seit 2018 fordert der Deutsche Caritasverband einen gesetzlichen Anspruch auf Schuldnerberatung. Wie aktuell und wichtig diese Forderung ist, zeigt eine Umfrage unter gemeinnützigen Schuldnerberatungsstellen in Deutschland: Immer mehr Menschen suchen Hilfe.
Die Preise in Deutschland steigen weiter und mit ihnen das Risiko von Überschuldung sowie die Nachfrage nach Beratung. In einer Erhebung der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) unter den gemeinnützigen Schuldnerberatungsstellen berichteten zwei Drittel von eine höheren Nachfrage als vor sechs Monaten. Bei einem Fünftel von ihnen stieg die Nachfrage um über 30 Prozent. Auf diese Entwicklung macht die heute beginnende Aktionswoche unter dem Motto "Was können wir uns noch leisten? Überschuldungsrisiko Inflation" aufmerksam.
Immer mehr Erwerbstätige unter den Ratsuchenden
Laut Umfrageergebnissen suchten in nahezu der Hälfte der Beratungsstellen mehr Menschen Hilfe wegen Energieschulden als Ende 2022, in einem Viertel der Beratungsstellen sind die Anfragen wegen Mietschulden gestiegen. Hinzu kommt: Immer mehr Erwerbstätige wenden sich an die Schuldnerberatungsstellen. "Die Zahlen zeigen, dass Erwerbstätigkeit nicht vor Überschuldung schützt und dass das Schuldenrisiko für Menschen mit geringem Einkommen steigt", stellt Angelika Wagner, Referentin für Schuldnerberatung beim Caritasverband für das Bistum Essen, fest.
"Nicht wenige Haushalte müssen bereits ein Drittel ihres Einkommens allein für den Wohnraum ausgeben und eine Entspannung der Situation ist nicht in Sicht", so Wagner. Umso schwieriger werde es, die gestiegenen Energiekosten und die deutlich teureren Lebenshaltungskosten zu stemmen. Wenn dann Strom- und Gasrechnungen nicht mehr bezahlt werden könnten, drohe oft eine Energiesperre. "Mit allen Schuldnerberatungen der Verbände fordern wir: Keine Energiesperren für Verbraucherinnen und Verbraucher", so die Caritas-Referentin. Vielmehr müsse ein unbürokratischer Zugang zu Sozialleistungen gewährleistet werden.
Caritas fordert Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung
"In der Diskussion über Inflation und ihre Folgen gilt es, den Blick auf die Menschen zu richten, die aufgrund ihres geringen Einkommens besonders betroffen sind", sagt Wagner. Daher unterstütze der Caritasverband für das Bistum Essen die Forderung der AG SBV nach einem gesetzlichen Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung. Das sei angesichts des deutlich wachsenden Beratungsbedarfs dringend notwendig, so Wagner. Denn die Zugänge zur Schuldnerberatung seien deutschlandweit sehr uneinheitlich. "Mancherorts können nur Ratsuchende, die Bürgergeld oder Sozialhilfe erhalten, ohne jegliche Einschränkung kostenfrei beraten werden; Geringverdiener und Familien mit mittleren Einkommen fallen so durchs Raster", kritisiert die Caritas-Referentin. Zudem müsse die Finanzierung von sozialer Schuldnerberatung zukunftssicher ausgebaut werden.
Soziale Schuldnerberatung
Die Arbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatungsstellen der Verbände (AG SBV), in der auch der Deutsche Caritasverband Mitglied ist, vertritt in Deutschland etwa 1.400 gemeinnützige Schuldnerberatungsstellen in Trägerschaft der Verbraucher- und Wohlfahrtsverbände oder der Kommunen. Seit 2021 führt die AG SBV regelmäßige Umfragen unter den Schuldnerberatungsstellen durch, um Entwicklungen bei der Nachfrage, dem Profil der Ratsuchenden und den Beratungsanliegen zu erfassen. 456 Schuldnerberatungsstellen haben sich an der vierten Befragung beteiligt, die online zwischen dem 17. April und dem 17. Mai 2023 stattfand.
Mehr Informationen zur Aktionswoche Schuldnerberatung 2023 und zu den Forderungen der AG SBV: http://aktionswoche-schuldnerberatung.de/