Martin Schnellhammer, der KI und DigitalisierungsexperteCaritas / Christoph Grätz
"Künstliche Intelligenz bietet Chancen, die Wohlfahrtsverbände erst noch für ihre Dienstleistungen entdecken müssen. Ohne einen Quantensprung an technischer Innovation werden wir die Herausforderungen, die durch die Pflege der geburtenstarken Jahrgänge auf uns zukommen, nicht bewältigen können", sagt Martin Schnellhammer, der das Forum Pflege in Essen mit klaren Thesen eröffnete. Schnellhammer ist Geschäftsbereichsleiter des "Living Lab Wohnen und Pflege" an der Hochschule Osnabrück und gilt als Experte für KI sowie technische und digitale Lösungen in der Pflege.
In seinem Vortrag richtete Schnellhammer den Fokus auf die Potenziale, die sich für Wohlfahrtsverbände aus der Digitalisierung ergeben. "Ein PDF hochzuladen, ist noch keine Digitalisierung! Wir müssen lernen, mit Daten umzugehen und diese in die Pflegeprozesse zu integrieren. Um die Pflege zu verbessern, brauchen wir nicht Roboter, sondern Daten und deren Nutzung."
Er nannte einige technische Ansätze, die politisch und organisatorisch dringend notwendig seien, um die Pflege zu entlasten: zum Beispiel den KI-gesteuerten Hausnotruf, der Angehörige und Dienstleister unterstützt. So könnten etwa Bewegungsdaten von Pflegebedürftigen mittels KI kontinuierlich analysiert werden und Auffälligkeiten automatisiert an den zuständigen Pflegedienst gemeldet werden. Die dafür notwendigen technischen Lösungen seien bereits verfügbar. Generell plädiert er dafür, Daten, die digital erfasst werden können, für Organisationsprozesse zu nutzen, um agiler arbeiten und pflegen zu können.
Der Experte kritisierte, dass Deutschland bei der Digitalisierung sozialer Dienstleistungsprozesse trauriges Schlusslicht in Europa sei. "Das muss sich radikal ändern, wenn wir nicht abgehängt werden wollen." Zudem sieht er dringenden Nachbesserungsbedarf bei der Politik, insbesondere im Bereich der Digitalisierung der "Pflegebürokratie". Überrascht hat Schnellhammer die anwesenden Caritas-Pflegeexpertinnen und Experten mit der Aussage, dass die Caritas innerhalb der Wohlfahrt und Sozialverwaltung in Sachen Digitalisierung führend sei; eine Chance, die es zu nutzen gelte.
Sebastian Geis, Fachreferent beim Caritasverband für das Bistum Essen beim Forum PflegeCaritas / Christoph Grätz
Sebastian Geis, Fachreferent beim Caritasverband für das Bistum Essen, sprach zum Thema "KI-Gesetz trifft Pflege - Leitplanken setzen statt abwarten!”. Er zeigte er auf, dass der AI-Act, das europäische Gesetz zur Regulierung künstlicher Intelligenz, für Pflegeeinrichtungen praktische Konsequenzen hat. Einrichtungen sind demnach künftig verpflichtet, den Einsatz von KI-Technologien systematisch zu prüfen, eine Risikobewertung durchzuführen, den Zweck der Systeme transparent offenzulegen und Betroffene, wie Bewohnende, Angehörige und Mitarbeitende, verständlich zu informieren. Darüber hinaus wies er darauf hin, dass Pflegeeinrichtungen dokumentieren müssen, wie sie Datenschutz, Nachvollziehbarkeit und ethische Mindeststandards garantieren. Er plädierte dafür, diese Anforderungen nicht abzuwarten, sondern bereits jetzt interne Leitplanken zu entwickeln, Verantwortlichkeiten festzulegen und Mitarbeitende zu qualifizieren, um die Chancen und Risiken der KI rechtssicher und menschenzentriert zu gestalten.
Fazit
Bei den anschließenden Diskussionsrunden wurde deutlich, dass Digitalisierung und KI nicht nur Herausforderungen, sondern vor allem große Chancen für die Zukunft der Pflege bedeuten. Entscheidend ist, diese Potenziale aktiv zu gestalten, um die Versorgung von Pflegebedürftigen zu verbessern und die Pflegenden wirksam zu entlasten. Der Austausch und die Vernetzung beim Forum bieten dafür eine wichtige Plattform.
Info: Das FORUM PFLEGE findet in der Regel viermal jährlich statt und wird vom Caritasverband für das Bistum Essen veranstaltet. Es richtet sich an Mitarbeitende der ambulanten, stationären und teilstationären Pflege sowie an Hospizfachkräfte.