Klara Misel Ilieva Caritas / Christoph Grätz
Seit mehr als 25 Jahren arbeitet die Organisation in der größten Roma-Siedlung Europas, in Shutka, einem Stadtteil der mazedonischen Hauptstadt Skopje. Nadez heißt übersetzt Hoffnung und ist Programm der Organisation. In den 90 Jahren hat die Caritas im Bistum Essen bei einem Auslandsprojekt in Mazedonien eng mit NADEZ zusammen gearbeitet. Der Caritas im Bistum Essen obliegt die Koordination des regionalen Netzwerkes im Projekt "Schule für alle", das sich für die Inklusion an Schulen einsetzt und eine Öffnung und Anerkennung von Vielfalt erreichen will. Was empfiehlt die mazedonische Fachfrau Kitas, Schulen und Sozialarbeit für den Umgang mit Roma. Ein Interview.
Auch in NRW leben viele Roma vom Balkan. Vor ein paar Wochen haben wir einen Fachtag zum Thema Sozialarbeit mit dieser Zielgruppe veranstaltet. Ein großes Problem von Erzieherinnen, Sozialarbeitern und Lehrern ist, dass sie die Eltern der Roma-Kinder schlecht erreichen. Was können sie unseren Kolleginnen und Kollegen empfehlen?
Seit zwei Jahren hat sich unsere kleine Organisation NADEZ auf Bildungsprojekte spezialisiert. Wir hatten zu Beginn unserer Arbeit das gleiche Problem. Eine Haupursache für den schulischen Misserfolg der Kinder ist der fehlende Kontakt zu den Eltern. In unserer Feldarbeit und im Kontakt mit Erzieherinnen und Pädagogen haben wir ein Entwicklungsmodell entwickelt, bei dem wir Kindern spielerisch die Basis dessen vermitteln, was sie in der Schule brauchen und gleichzeitig die Eltern unterweisen was gute Elternschaft bedeutet. Inzwischen gelingt es uns ihnen beizubringen, wie sie ihre Kinder bei der Bildung unterstützen können. Es war ein zäher Prozess, aber nach etwa zwei Jahren können wir erste Erfolge verzeichnen.
Wie sieht das ganz praktisch aus?
Roma Sozialarbeit in ShutkaNADEZ
Zunächst haben wir die Eltern zu Diskussionen über soziale Hilfen in unser Educative-Centre eingeladen. Bei dieser Gelegenheit haben wir ihnen auch gezeigt, wie unsere Sozialarbeiter ihre Kinder beim Lernen unterstützen. Diesen Diskussionen folgten Workshop-Aktivitäten wie Basteln und Ausflüge. So konnten wir Schritt für Schritt die Eltern für unsere Arbeit mit ihren Kindern gewinnen und einige auch zur Mithilfe bei gemeinsamen Aktivitäten. Ein Beispiel: Wir hatten hier eine Mutter mit einer leichten Lernbeeinträchtigung, die sich ganz aktiv in unseren täglichen Treffen eingebracht hat. Wir wussten, dass sie den Kindern in Mathe oder Lesen nicht wirklich helfen konnte, aber wir haben ihr das Gefühl geben können, dass sie trotz ihres Handicaps ganz viel für die Kinder tun kann. Wir haben sie gebeten den gemeinsamen Zooausflug zu begleiten. Sie können sich die Freude in ihren Augen über diese Wertschätzung nicht vorstellen und wie begeistert sie auch allen Nachbarn darüber berichtet hat, was diese wiederum neugierig machte. Sie wollten dann auch sehen, was wir hier machen. Wir haben gelernt, wie wichtig es ist, Eltern und Lehrern das Gefühl zu geben, dass sie selbst ihre Probleme lösen können. So dass wir zwei Jahre nach dem Start unserer Programme nahezu im täglichen Austausch mit den Eltern stehen und viele Freizeit- und Kreativangebote machen.
Ein Problem der Menschen vom Balkan in Deutschland ist ihr unsicherer Aufenthaltsstatus, der viele zu Getriebenen und Reisenden macht. Wie können unsere Kolleginnen und Kollegen in Kindertagesstätten damit umzugehen?
Der Umstand des Reisens hat eine lange Geschichte bei den Roma. Ich habe kein Patentrezept für diese Situation, aber ich kann sagen, dass die Kinder die Verlierer dieser Umstände sind. Die Unterbrechung des Lernens ist ein großes Problem und nach jahrelangem Reisen ist es oft nicht mehr möglich, die Versäumnisse aufzuholen. Meine Empfehlung an Lehrer und Erzieher ist unter allen Umständen zu versuchen diesen Kindern die Basics beizubringen, sprachlich und auch Rechnen und der Bildung dieser Kinder die maximale Aufmerksamkeit zu schenken. So dass sie auch nach einer "Rückkehr" in ihre Heimatländer nicht ganz von Null anfangen müssen. Besonders krass sind die Probleme dann bei älteren Kindern.
Was ist Ihr Lieblingsprojekt von NADEZ?
Ich mag besonders unsere Vorschulaktivitäten für Kinder. Die Kids sind praktisch wie weiße Seiten, die wir behutsam beschriften indem wir ihnen Chancen vermitteln, sie unterrichten sich zu benehmen, zu lernen und zu erkennen wie wichtig das Lernen ist. Diesen Kindern gleiche Chancen zu vermitteln wie anderen Kindern, ist eine schöne Aufgabe. Wir bei NADEZ ernten die Früchte unserer Arbeit manchmal Jahre später, wenn junge Menschen uns besuchen, die inzwischen eine Abschluss an der Uni gemacht, um Hallo zu sagen und sich zu bedanken. Dass ist die größte Bestätigung unserer Arbeit.
Fragen und Übersetzung: Christoph Grätz
Zur Person: Klara Misel Ilieva ist Gründungsmitglied der Organisation "Zentrum für soziale Initiativen- NADEZ" in Skopje, die aus einem Projektteam der Caritas vor Ort entstanden ist. Von 1991 bis ´97 realisierte die Caritas im Bistum Essen mit einem mazedonischen Team das soziale Umfeldprogramm des Roma-Reintegrationsprojektes der Landesregierung NRW. Im Verlauf des Projektes der Neuen Flüchtlingspolitik hat die Landesregierung NRW zwischen 1991 und 1997 die Rückkehr von rund 600 Personen gefördert und umfangreiche Sozialarbeit im größten Roma-Viertel auf dem Balkan ermöglicht. Nach der Beendigung des Landesprojektes hat die Caritas im Bistum Essen mit NADEZ und anderen Partnern mehrere Europäische Projekte auf dem Balkan realisiert. NADEZ wurde 96 gegründet um die Arbeit mit den Menschen in Not fortzuführen.