Handarbeit hilft psychisch Kranken ihren Alltag zu gestalten. Zum Herunterladen aufs Bild klicken. Quellenangabe beachten.Caritas Bistum Essen / Ulrich Wilmes
Die Werkstatt ist ein Projekt des Fördervereins "Claudia", der in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen feiert. Der einzigartige Verein im Bistum Essen unterstützt Hilfsangebote der Kontakt- und Beratungsstelle des Caritasverbandes.
"Der Verein fördert Angebote für psychisch erkrankte Menschen und sichert sie in finanziell schwierigen Zeiten", erklärt Bärbel Hülsermann, Verbindungsfrau der Caritas zum Verein und hauptamtliche Beraterin der Kontakt- und Beratungsstelle. Oberstes Ziel sei der Erhalt und die Verbesserung der Lebensqualität betroffener Menschen. Vor mittlerweile zehn Jahren wurde der Verein gegründet, weil Pauschalfinanzierungen für die offene Arbeit mit psychisch Kranken reduziert wurden und verschiedenste Angebote für diesen Personenkreis gefährdet waren.
Gemeinsam suchten psychisch erkrankte Besucher, Mitarbeiter, Ehrenamtliche und Angehörige Lösungen und entschieden sich, mit der Vereinsgründung selbst etwas gegen diese negativen Entwicklungen zu tun. Seitdem konnte der Verein mit derzeit 35 aktiven Mitgliedern viel bewirken: Freizeitmaßnahmen und Angebote zu Tagesstruktur konnten nicht nur erhalten, sondern sogar ausgebaut werden. Die offene Beratung für Betroffene und Angehörige ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit in der Beratungsstelle geblieben.
Eine Betroffene bei der Arbeit an der DrechselmaschineCaritas Bistum Essen / Ulrich Wilmes
Aber auch in Notsituationen kann der Verein unbürokratisch helfen. Hülsermann: "Da geht es zum Beispiel darum, ein Haustier bei langen Krankenhausaufenthalten zu versorgen oder ein Mini-Darlehen muss her, wenn die Waschmaschine kaputt ist." Da im Vorstand des Vereins selbst Betroffene mitarbeiten, kennen sie die Probleme, Schwierigkeiten und Bedürfnisse von psychisch erkrankten Menschen - und können einschätzen, welche Hilfen notwendig sind.
Die kleine Hobbywerkstatt für hochwertiges Kunsthandwerk gibt es seit drei Jahren. Was Lydia und derzeit fünf andere Menschen mit einer psychischen Erkrankung hier herstellen, wird im Online-Shop des Vereins und im Caritasladen an der Mülheimer Straße 111 verkauft. Neben den wertvollen Füllern gibt es weitere Holzprodukte wie Schalen, Kerzenhalter, Schlüsselanhänger und vieles mehr. Jetzt im Sommer freut sich Lydia besonders auf das Oberhausener Hafenfest mit einem großen Markt an der Marina am 7. August. "Wir werden an unserem Stand auch Perlenarmbänder, Skizzenstifte, Nistkästen oder Engel aus Holz anbieten." Es hat Tradition, dass aktive Mitglieder des Vereins gemeinsam mit Betroffenen den Stand betreuen. "Unsere Schreibgeräte kosten zwischen 25 und 80 Euro; ein Olivenholzfüller mit vergoldeter Feder beispielsweise 70 Euro. Und jedes Teil ist ein Unikat", berichtet Bärbel Hülsermann.
Der Vereinsname "Claudia" basiert auf einer traurigen Begebenheit aus den 1970er Jahren: dem Suizid einer psychisch erkrankten jungen Frau. Claudia, die sich im Alter von 20 Jahren damals das Leben nahm, fand keinen Ansprechpartner, an den sie sich in ihrer Not wenden konnte. Die Namensgebung zeigt den entschlossenen Willen der Aktiven, Hilfen für diesen Personenkreis weiterzuentwickeln. "Erst nach 1980 im Rahmen der Psychiatrie-Enquete wurden Sozialpsychiatrische Zentren und Kontakt- und Beratungsstellen eingerichtet", erklärt Hülsermann. "Hilfen für psychisch Kranke haben sich seitdem zwar grundsätzlich verändert und verbessert, allerdings werden Angebote und Aktivitäten, die das Leben der Betroffenen trotz ihrer Krankheit bereichern, nicht ausreichend gefördert."
Dass es die Hobbywerkstatt gibt, sei eher ein Zufall, sagt Hülsermann. Es hatte mit dem Hobby von Norbert Nilkens zu tun, dem hauptberuflichen Leiter des Psychosozialen Gesundheitszentrums der Oberhausener Caritas. Von Klienten danach gefragt, bot er vor Jahren einen Drechselkurs mit geliehenen Maschinen an. Besonders Teilnehmer mit einer handwerklichen Ausbildung (Schreiner, Tischler) und seit Jahren krankheitsbedingt berufsunfähig, drechselten mit großem Engagement. Überraschend war, dass auch Personen mit einer Borderline-Störung über einen längeren Zeitraum bei der Sache waren und es ihnen anschließend besser ging. "Borderline-Patienten sind oft im Hochstress und können sich deshalb schlecht länger konzentrieren", so Hülsermann.
Die hochwertigen Handarbeiten verkauft der Verein auch im InternetCaritas Bistum Essen / Ulrich Wilmes
Der "Claudia"-Vorstand schaffte in der Folge der ersten Kurse zwei Drechselmaschinen und eine Bandsäge an. Heute begleitet Willi Schwingel, ein aktiver Rentner, das ständige Angebot der Werkstatt. "Die Teilnahme an den Drechselkursen wie auch die Tätigkeiten in der Werkstatt sind freiwillig", berichtet Nilkens. "Ausgebildete Schreiner oder Schlosser, die seit Jahrzehnten nicht mehr arbeiten können, erleben in der Werkstatt neu, was sie können und was Konzentration und Spaß ermöglichen."
Zurück zu den Angeboten des Fördervereins beim Marina-Markt: "Wie die Teilnahme an anderen Handwerker- und Weihnachtsmärkten ist der Verkauf unserer Produkte beim Hafenfest ein Highlight nach monatelanger kunstvoller Arbeit." Alle aktiven Mitglieder des Vereins wie auch die Teilnehmer des Werkstattprojektes freuten sich darauf, berichtet Bärbel Hülsermann. "Psychisch Erkrankte erfahren hier, dass ihre Produkte geschätzt und begehrt sind."
Rückblickend auf zehn Jahre Förderverein und drei Jahre Arbeit in der Hobbywerkstatt ziehen Bärbel Hülsermann und Norbert Nilkens ein positives Fazit. Für Hülsermann zählt vor allem, dass kranke Menschen durch die Projekte des Fördervereins ihr Leben wieder mit neuem Selbstbewusstsein angehen. Nilkens: "Es bleibt schwer, mit einer psychischen Krankheit zu leben. Wer aber gefragt ist und gebraucht wird, kann der Krankheit etwas entgegensetzen." Der Caritas-Mann ergänzt: "Wenn Menschen sagen ,Was ich tue, hat einen Sinn´, weiß man: Das Engagement lohnt." (Text: Ulrich Wilmes/mik. Bilder: Ulrich Wilmes)
PI 069/2016 - Essen, den 04.08.2016