Essen. Statistiken belegen, dass 10 Prozent der Menschen mit HIV nichts von ihrer Infektion wissen und Jahre unentdeckt mit ihrer Erkrankung leben. In dieser Zeit können sie schwer erkranken und das HI-Virus unabsichtlich verbreiten. Anlässlich des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember macht der Caritasverband für das Bistum Essen darauf aufmerksam, wie wichtig Präventionsarbeit, Beratung und Testangebote sind.
Martin Stockmann, Diözesan-Referent bei der Caritas im Bistum EssenCaritas | Nicole Cronauge
HIV/Aids ist aufgrund der inzwischen deutlich besseren Behandlungsmöglichkeiten in den Hintergrund getreten. "Zu Unrecht", sagt Martin Stockmann, Fachreferent beim Caritasverband für das Bistum Essen. "Dringend geboten ist, in den Hausarztpraxen das Thema Sexualität mehr in den Fokus zu rücken. Im Rahmen der Behandlung sollte häufiger an sexuell übertragbare Infektionen (STIs) gedacht und eine HIV-Testung angeboten werden. Präventionsarbeit in Schulen, bei der junge Menschen über Infektionsrisiken aufgeklärt werden und Fragen zur Sexualität, HIV und weiteren STIs behandelt werden, bleiben ein wichtiger Baustein der Aufklärung".
Aktuell leben in Deutschland laut Robert-Koch-Institut ca. 90 800 Menschen mit einer HIV-Infektion. Von diesen sind 76 000 HIV-Positive erfolgreich therapiert, sodass ihre Virenlast unter der Nachweisgrenze liegt. Sie können somit das HI-Virus nicht mehr weitergeben und schützen auf diese Weise ihre Sexualpartner und -partnerinnen vor einer Ansteckung. Sie haben eine annähernd gleiche Lebenserwartung wie Menschen ohne HIV-Infektion. Das sind sehr gute Nachrichten!
Achim - kein Einzelfall
Der 64jährige Achim (Name geändert) kam mit einer schweren Lungenentzündung ins Krankenhaus. Seine Hausärztin hatte ihn stationär eingewiesen, sie konnte sich die schwere seiner Symptome nicht erklären. In der Klinik wurde nach einer ausführlichen Anamnese ein HIV-Test gemacht. Dieser fiel positiv aus. Die Blutwerte zeigten, dass Achim schon viele Jahre mit dem HI-Virus infiziert und das Immunsystem inzwischen stark geschädigt war. Mit dieser Nachricht hat er nicht gerechnet. Er lebt seit Jahren in einer festen Partnerschaft. Die Zeit, in der er einige wechselnde Beziehungen hatte, ist lange her. Er nahm seine Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch und hatte das Gefühl gehabt, sich gut um seine Gesundheit zu kümmern.
Wie konnte es sein, dass die Infektion so spät entdeckt wurde?
Achim ist hier kein Einzelfall. Im Jahr 2022 wurden dem Robert-Koch-Institut 2 500 HIV-Fälle neu gemeldet. Von diesen waren ca. 35 Prozent bei Ihrer HIV-Diagnose bereits in einem fortgeschrittenen Stadium ihrer Erkrankung. Ein Grund für die verspätete Diagnose kann sein, dass im Arztgespräch das Thema "sexuelle Gesundheit" nicht angesprochen wurde. Seine Hausärztin ging nicht davon aus, dass bei dem gut situierten, erfolgreichen Geschäftsmann HIV eine Rolle spielen könnte. Es kann auch sein, dass Achim große Angst vor Stigmatisierung und Diskriminierung hatte und sich deswegen mit dem Thema nicht auseinandersetzen konnte. Obwohl er Risiken in der Vergangenheit eingegangen war, ließ er keinen HIV-Test machen.
Wir haben die Chance etwas zu ändern!
Martin Stockmann: "Viele Menschen verbinden mit einer HIV-Infektion eine innere Ablehnung gegenüber bestimmten Personengruppen. Jede und jeder ist aufgerufen, Stigmatisierung und Ausgrenzung entgegen zu wirken. Die persönliche Haltung jedes einzelnen hat maßgeblichen Einfluss darauf, wie wir Menschen über diese Erkrankung und damit über Sexualität, Schutz, Test und Behandlung sprechen - oder eben nicht. Mit nüchterner Offenheit, Freundlichkeit und Toleranz können alle einen Beitrag zur Beendigung der HIV-Pandemie leisten."
Am Welt-Aids-Tag rufen auch die HIV/Aids-Beratungsstellen der Caritas wieder zu Solidarität und Akzeptanz auf. Sie wollen in ihrem Engagement für HIV-Positive weiter Zeichen setzen und Menschen mit Risikokontakten ermutigen, sich testen zu lassen. Die rote Schleife als Symbol dieses Tages steht für Gleichbehandlung, Solidarität und Gemeinschaft.
Übrigens: Der Partner von Achim hat sich testen lassen - es wurde auch bei ihm eine HIV-Infektion festgestellt. Die Diagnose war für beide eine Belastungsprobe, aber ihre Beziehung hat gehalten.
Info:
Am 1. Dezember findet der 35. Welt-Aids-Tag statt. Er will die Rechte der etwa 39 Millionen HIV-positiven Menschen weltweit stärken und zu einem Miteinander ohne Vorurteile und Ausgrenzung aufrufen. Außerdem wird an die Menschen erinnert, die an den Folgen von Aids verstorben sind.
Im Bistum Essen gibt es eine Aids-Beratungsstelle in Trägerschaft der Caritas-SkF-Essen gGmbH (cse). Die Beratungsstelle "Die Schleife" ist Fachstelle für HIV und sexuell übertragbare Infektionen (STI) und seit 1988 Anlaufstelle für Menschen mit HIV/Aids sowie für Ratsuchende zu allen Themen rund um HIV, Aids und sexuell übertragbare Infektionen.
Weitere Infos hier:
Aidsberatung - Die Schleife (cse.ruhr)
https://www.cse.ruhr/ueber-uns/unsere-standorte/standort/aidsberatung-die-schleife/