Petra Backhoff (links), und Stefan Back (rechts) sind auf die Hilfe von Ehrenamtlichen wie Andrea Rothenbusch (Mitte) angewiesen, um ihr Netzwerk unter den Bewohner/-innen zu vergrößern. Marijn Fidder | Caritas international
Die Caritas schaut genau dahin, wo das "Wegsehen" seit Jahren dominiert - so auch auf einem Campingplatz in Hattingen.
Direkt an der Ruhr gibt es in Hattingen einen Campingplatz, am Fuß der Isenburg gelegen und nur wenige Gehminuten vom idyllischen Radweg entfernt. Was viele nicht wissen: Hier leben über 200 Menschen permanent - nicht alle sind jedoch auch hier gemeldet. Die Flutkatastrophe hat auf dem Platz massive Zerstörung und Verwüstung hinterlassen. Viele Faktoren erschweren nun die Fluthilfe und immer wieder drohen in Hattingen - wie auch an vielen anderen Orten - individuelle Schicksale durch das Netz der großflächigen Hilfsangebote durchzurutschen. Die Caritas Ennepe-Ruhr hat daher ein maßgeschneidertes Angebot konzipiert, genauer gesagt: ein Tinyhouse. Inmitten des Platzgeschehens finden dort nun Beratungen und Begegnungen statt. Das Tinyhouse steht direkt gegenüber von der Gastronomie und ist von grünen Hecken umgeben. Elisa Schinke von Caritas international hat Petra Backhoff besucht, die dort arbeitet und ihr einen Einblicke in den Alltag auf dem Campingplatz gibt.
Ci: Welche Auswirkungen hatte die Flut für die Platzbewohner/-innen?
Petra Backhoff: Hier sind offiziell 200 Personen gemeldet, tatsächlich wohnen hier aber mehr Menschen. Manche sind nach der Flut verschwunden, oft konnten wir gar nicht herausfinden, wo sie abgeblieben sind. Andere sind geblieben. Während die einen renovieren, fangen andere gar nicht erst an. Letzteres führt auf Dauer zu massiven Schimmelproblemen. Zu Beginn haben alle "funktioniert", es gab viel zu tun. Langsam treten aber tieferliegende Probleme auf, beispielsweise psychische Probleme. Die gab es oft auch schon vor der Flut, aber die Flut hat den Menschen den Rest gegeben. Es gab in den vergangenen Monaten auch schwere Krankheiten unter den Flutopfern, teilweise leider auch mit tödlichen Verläufen.
Über 200 Menschen leben dauerhaft auf dem Campingplatz, von vielen weiteren wird der Platz als Feriendomizil genutzt.Marijn Fidder | Caritas international
Wie erreichen Sie die Betroffenen vor Ort?
Wir haben unser Tinyhouse seit Januar hier stehen, langsam kommen wir hier richtig an. Wir machen regelmäßig lockere Rundgänge über den Platz, sprechen Leute an und planen niederschwellige Angebote. Wir haben Wurfzettel in die Briefkästen eingeworfen. Nicht zuletzt gibt es wichtige Multiplikator/-innen unter den Bewohner/-innen, die zum Beispiel auch in WhatsApp-Gruppen sind. Eine ehrenamtliche Helferin von uns wurde neulich direkt angesprochen: "Du hast doch den Kontakt zur Caritas - können die da nicht mal jemanden hinschicken?". Nach und nach vergrößern wir so unser Netzwerk.
Was für Angebote gibt es für die betroffenen Campingplatzbewohner/-innen?
Zum einen helfen wir beim Ausfüllen der Anträge für finanzielle Hilfen. Das ist sehr wichtig, da viele Betroffene nicht in der Lage sind, der Bürokratie allein gerecht zu werden. Unsere Arbeit geht aber noch viel weiter. Wir bieten Gespräche vor Ort an - teilweise aber auch jenseits vom Platz. Unser Tinyhouse steht ganz zentral. Im Sommer soll es ein Treffpunkt werden - die Leute können hier Kaffee trinken und sich austauschen. Wir wollen auch eine Büchertauschbörse aufstellen. Außerdem kooperieren wir mit Dienstleistern aus dem Haus: Die Seniorenberatung ist wöchentlich vor Ort, die Drogenberatung und das ambulante Wohnen für Menschen mit psychischen Krankheiten sind ebenfalls mit an Bord.
Elisa Schinke