Dennoch ist im Hospiz in der ehemaligen Villa der Industriellenfamilie Gröppel an der Königsallee eine friedliche, gelassene Stimmung zu spüren. "Leben bis zuletzt", so heißt der Leitspruch. Neben den 25 angestellten sorgen die ehrenamtlichen Mitarbeiter dafür, dass er umgesetzt werden kann. Adolf Bachmann und Barbara Schmidt (Namen von der Redaktion geändert) sind zwei der insgesamt 45 Helfer, die dazu beitragen, dass die elf Gäste des Hospizes in Würde und Geborgenheit sterben können.
"Wenn Du da noch mal rauskommst, dann gibst Du was zurück". Das hat sich Adolf Bachmann (75) vorgenommen, als er selbst auf dem Tiefpunkt angelangt war. Er hat es umgesetzt. 2006 starb sein Sohn, der an einem Gehirntumor erkrankt war, im Hospiz St. Hildegard. Adolf Bachmann hat ihn täglich dort besucht. Eine schwere Zeit für den Vater, die er nicht zuletzt dank der Unterstützung der Mitarbeiter durchgestanden hat. Der Zusammenbruch kam dann später, nach dem Tod des Sohnes. Doch der Wittener, der kurze Zeit zuvor auch seine Frau verloren hatte, gab nicht auf. Er suchte die Hilfe einer Therapeutin.
"Oft genügt es, wenn man einfach zuhört."
Nach einem Jahr war der ehemalige Techniker so weit, dass er ein Seminar zur Sterbebegleitung besuchen konnte. Dieses Seminar - hundert Stunden Theorie und Praxis - ist Voraussetzung für die Arbeit im Hospiz. Seit nunmehr acht Jahren hilft der Rentner nun anderen Schwerkranken. Einmal, oft zweimal die Woche kümmert er sich ehrenamtlich um die Gäste, wie die Bewohner des Hospizes genannt werden, und um ihre Angehörigen. "Oft genügt es, wenn man einfach zuhört", sagt Bachmann. Vielfach fällt es den Kranken leichter, mit einem Fremden zu sprechen. Ihm gegenüber können sie ganz offen reden - ohne die Bedenken, einen nahen Angehörigen mit ihren Sorgen zu belasten.
Doch oft geht es um ganz Banales. Denn die Gäste sind froh, wenn ihre Gedanken nicht ununterbrochen um die Krankheit kreisen. Beliebtes Männerthema ist auch im Hospiz immer wieder Fußball. Neben dem Bett eines älteren Herrn stand mal ein altes Mannschaftsfoto vom TuS Stockum. Eine Steilvorlage für Bachmann, hat er doch in jungen Jahren als Linksaußen beim VfL Witten genau gegen diese Elf gekickt. Man fand einen Draht zueinander - Heinz, der Stockum-Fan, fragte immer nach, wann Adolf Bachmann denn wieder im Dienst sei, um mit ihm zu fachsimpeln.
"Warum tust Du das? Ich könnte das nicht."
Im Schnitt bleiben die Kranken 12 Tage im Hospiz. Wenn in der Nische mit der kleinen Skulptur der Heiligen Familie eine Kerze brennt, ist dies ein Zeichen, dass gerade jemand verstorben ist. "Ohne Ehrenamtliche ginge das alles gar nicht. Sie sind eine tragende Säule", sagt Hospizleiter Johannes Kevenhörster. "So soll es auch sein", fügt er hinzu. Denn der Hospiz-Gedanke, das Sterben zu Hause oder in der geborgenen Atmosphäre eines Hospizes zu ermöglichen, kommt aus der bürgerschaftlichen Bewegung.
Barbara Schmidt, eine attraktive Frau mit ausgesprochen positiver Ausstrahlung, ist seit einem halben Jahr dabei. Manche Bekannte können ihr Engagement im Hospiz nicht nachvollziehen: "Ich höre ganz oft: ‚Warum tust Du das? Ich könnte das nicht‘." Die Bochumerin, seit zwei Jahren im Vorruhestand, will etwas Sinnvolles machen. Schon beruflich, als Mitarbeiterin der Nachlassstelle beim Amtsgericht, hat sie sich Zeit genommen, wenn Witwen ihr vom Tod ihres Mannes erzählt haben. Barbara Schmidt setzt sich seit vielen Jahren mit der Endlichkeit des Lebens auseinander. "Der Tod gehört dazu, Sterben ist für mich nicht mit Angst besetzt", sagt sie.
Die blonde Frau ist immer freitags im Einsatz, zusammen mit Adolf Bachmann, der ihr als erfahrener Kollege zur Seite steht. Sie tastet sich langsam an die fremden Menschen heran, grüßt freundlich und schaut, wie jemand reagiert. Ob er den Kontakt erwidert oder lieber seine Ruhe haben will. "Wir richten uns nach den Gästen und nicht umgekehrt", sagt die Ehrenamtliche. Ein kürzlich verstorbener Mann wollte immer die Hymne seines Vereins zum Frühstück hören. Also schob Barbara Schmidt "Steh‘ auf, wenn Du ein Schalker bist" in den CD-Player. Das Ziel sei, den Menschen den eigenen Willen und die Würde lassen.
"Das darf man nicht persönlich nehmen."
Es kann auch passieren, dass Menschen unwirsch reagieren, scheinbar grundlos. "Das darf man nicht persönlich nehmen. Die Wut bezieht sich auf die Krankheit", erklärt Sabine Monteton, die Pflegedienstleiterin. Eine gefestigte Persönlichkeit sei wichtig für die ehrenamtliche Arbeit, sagt sie. Bevor jemand das Seminar zur Sterbebegleitung beginnt, führen die Mitarbeiter ein persönliches Gespräch.
Etliche Rentner gehören zum Team, aber ebenso eine junge Frau, gerade 20 Jahre alt, einige Berufstätige, die am Wochenende im Einsatz sind, und eine dreifache Mutter, die kommt, wenn die Kinder im Kindergarten und in der Schule sind. Die Männerquote liegt unter 10 Prozent. Neben Adolf - man duzt sich untereinander - sind dies Wolfgang, Karl und Heribert, mit 84 der Alteste. Er sitzt jeden Sonntag an der Pforte. Und ebenso Georg, eine Frohnatur (so Adolf), der die Gäste stets mit dem Spruch begrüßt: "Ich bin von der Firma Verwöhn‘ dich. Was darf’s denn sein?".
Die Ehrenamtlichen bekommen allenfalls Fahrtkosten erstattet. Dennoch "profitierten" sie von ihrem Einsatz. "Ich habe so tolle Menschen kennengelernt, die ich sonst nie getroffen hätte", sagt Barbara Schmidt. Außerdem sei sie, von Natur aus ein ungeduldiger Mensch, durch die Arbeit im Hospiz gelassener geworden. "Indem ich gelernt habe, Unwichtiges von Wichtigem zu unterscheiden." Und Adolf Bachmann, der Mann, der vor acht Jahren ganz unten war, sagt: "Mein Selbstwertgefühl ist gestiegen. Ich tue etwas Sinnvolles".
Die Eintragungen im Gästebuch, das unten in der stilvollen Eingangshalle ausliegt, bestätigen ihn. "Wir haben uns aufgehoben gefühlt. Danke für die Hand, die so hilfreich war". (Gabriele Beautemps)
Festwoche zum Jubiläum
Mit einer Festwoche wird das 20-jährige Jubiläum des Hospizes St. Hildegard in Bochum begangen.
So öffnet das Haus am 24. und 25. Oktober seine Türen für interessierte Bürgerinnen und Bürger.
Mit einem ökumenischen Festgottesdienst am 28. Oktober mit dem ehemaligen Weihbischof Franz Vorrath in der evangelischen Petrikirche in Bochum will das Hospiz für die vergangenen 20 Jahre danken.
Am 29. Oktober findet um 20 Uhr ein Benefizkonzert zugunsten von St. Hildegard in der Bochumer Kunstkirche Christ-König statt. Am 30. Oktober ab 15.30 Uhr lädt St. Hildegard zu einem Informations- und Mitmach-Tag der Hospiz-Seelsorge ein.
Auch das Essener Hospiz Cosmas und Damian feiert sein 20-jähriges Bestehen
Als die Franziskusschwestern das ehemalige Franziskuskrankenhaus im Jahr 1990 aufgaben, entstand in der Pfarrgemeinde St. Dionysius die Idee zum ersten Hospiz in Essen. Der damalige Pfarrer der Gemeinde, Otmar Vieth, als Hauptinitiator gewann Bernadette Meyer als Hospizleiterin, sodass das Hospiz "Cosmas und Damian" zum 1. April 1995 in Trägerschaft des Caritasverbandes für die Stadt Essen e.V. seine Pforten öffnete. Seitdem begleiten Bernadette Meyer und ihr Team Menschen auf ihrem letzten Weg. "Uns ist es wichtig, den Menschen ein unterstützender Begleiter zu sein und dabei auf spezielle medizinische und pflegerische Kenntnisse und Erfahrungen aus der Palliativmedizin zurückgreifen zu können, Schmerzen zu lindern und eine herzliche Atmosphäre zu schaffen, in der sich die Menschen, entsprechend ihrer eigenen Wünsche, umsorgt und geborgen fühlen", erläutert Bernadette Meyer den Inhalt ihrer täglichen Arbeit.
Die Jubiläumsfeier findet am 30. Oktober 2015 statt.
Weitere Informationen erhalten Sie unter http://hospiz-cosmas-damian.caritas-e.de/