Zum 30. Juni gibt Dorothé Möllenberg den Vorsitz der Diözesanen Arbeitsgemeinschaft der Erziehungshilfe im Bistum Essen (AGkE) ab und übernimmt zum 1.Juli das Amt der Präventionsbeauftragten des Bistums Essen. Sie tritt damit die Nachfolge von Dr. Andrea Redeker an.
Möllenberg (47) ist seit April 2006 stellvertretende Leiterin des Kinder- und Jugendhauses St.°Elisabeth, Gelsenkirchen. Seit Ende 2006 ist sie Mitglied in der "Fachkonferenz stationäre Erziehungshilfe" der Diözesanen Arbeitsgemeinschaft der katholischen Erziehungshilfe im Bistum Essen (AGkE). Seit November 2009 gehört sie dem Vorstand des Gremiums an und wurde im November 2014 zu dessen Vorsitzender gewählt. Möllenberg hat nach ihrem Studium der Sozialen Arbeit an der Evangelischen Fachhochschule Bochum neun Jahre beim Jugendamt der Stadt Essen im Allgemeinen Sozialen Dienst gearbeitet. Im Interview erklärt die scheidende Fachfrau der Erziehungshilfe, was ihr rückblickend wichtig war und welche besonderen Herausforderungen sie für die künftige Ausrichtung der Erziehungshilfe im Bistum Essen sieht.
Frau Möllenberg, Sie scheiden als langjährige Vorsitzende der Diözesanen Arbeitsgemeinschaft der katholischen Erziehungshilfe aus (AGkE). Was sind die prägendsten Eindrücke Ihrer 14-jährigen Arbeit für die Erziehungshilfe?
Da gibt es viele Eindrücke. Zum einen ist da die Kollegialität in der Arbeitsgemeinschaft, in der man sich trotz einer Konkurrenzsituation unterstützt, austauscht und vernetzt. Die Atmosphäre in der Diözesanen Arbeitsgemeinschaft habe ich immer geschätzt und als sehr lebendig erlebt. In der Jugendhilfe wird es halt nie langweilig. Da ist politisch und auch, was unsere Einrichtungen betrifft, viel in Bewegung. Mich haben in der stationären Erziehungshilfe oft die Kreativität und die pragmatischen Ansätze vieler Mitarbeitender beeindruckt, wie sie versuchen, mit wenigen Mitteln das Beste für die Kinder und Jugendlichen zu realisieren. Als besonderes Geschenk habe ich die Begegnungen mit den Kindern und Jugendlichen erlebt, wenn sie mich mit ihren Gedanken überrascht haben, etwa bei den Treffen der Kinder- und Jugendparlamente im Ruhrbistum.
Welche Entwicklungen in der Jugendhilfe sind aus Ihrer Sicht kritisch?
Eine kritische Entwicklung ist, dass die Zuständigkeiten bei den Jugendämtern in den letzten Jahren immer häufiger wechseln. Das ist für eine kontinuierliche Entwicklung der Kinder und Jugendlichen hinderlich, weil man immer wieder alles neu erklären muss und die Kinder und Jugendlichen deutlich äußern, dass sie "keinen Bock" mehr haben, ihre Geschichte immer wieder aufs Neue zu erzählen. Mich beunruhigt, dass die Zahl der Inobhutnahmen im Gegensatz zu den geplanten Aufnahmen im stationären Bereich immer mehr zunimmt. Ein solcher Start in eine Hilfe hat auch immer Auswirkungen auf deren weiteren Verlauf und Erfolg.
Was würden Sie sich für die Zukunft der Erziehungshilfe im Bistum Essen, und damit auch für die AGkE, wünschen?
Ich wünsche mir für die Erziehungshilfe und die Arbeitsgemeinschaft, dass sie weiterhin so lebendig und vielfältig bleibt, die Interessen der Kinder und Jugendlichen im Bistum vertritt und Lobbyarbeit für sie betreibt. Oft haben die Familien, die wir betreuen, niemanden außer uns, der für sie eintritt. Was die Gewinnung von beruflichem Nachwuchs betrifft, wünsche ich mir deutlich mehr Werbung, denn die Jugendhilfe ist ein äußerst spannender und abwechslungsreicher Arbeitsbereich!
Was haben die Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfe aus der Corona-Krise gelernt?
Digital ist gar nicht so schlimm, und manchmal reicht auch eine Videokonferenz, wenn die Terminfindung schwierig ist. Allerdings müssen wir noch deutlich an der Ausstattung arbeiten, auch wenn wir manchmal ein bisschen besser ausgestattet sind als die Jugendämter, da ist noch Luft nach oben. So muss aus meiner Sicht die Ausstattung der Kinder und Jugendlichen deutlich verbessert werden. Das haben wir jetzt in der stationären Erziehungshilfe beim Homeschooling gemerkt. Letztlich ist der Zugang zu digitalen Bildungsangeboten eine wichtige Voraussetzung für die Chancengleichheit von Jugendlichen.
Mich hat es sehr geärgert, dass während der Corona-Krise unsere Bereiche in der Öffentlichkeit mal wieder nicht wahrgenommen wurden. Hier müssen die politische Arbeit und die Lobbyarbeit deutlich verstärkt werden. Meine Kolleginnen und Kollegen der stationären Jugendhilfe haben unter erschwerten Bedingungen gearbeitet. An manchen Orten mussten sie bis zu zehn Kinder und Jugendliche tageweise versorgen, betreuen und ersatzweise beschulen, und das sieben Tage in der Woche. Dieser Einsatz blieb von der Politik und in der Gesellschaft völlig unerwähnt und unbeachtet. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels schmerzt diese fehlende Wertschätzung doppelt.
Die Fragen stellte Christoph Grätz
Kontakt Dorothé Möllenberg: doromoe@arcor.de, mobil 0177 4322285