Die Schlichtungsstelle des Caritasverbandes für das Bistum Essen feiert zum Jahreswechsel ihr 30-jähriges Bestehen. Seit ihrer Gründung hat sie sich zu einer verlässlichen Instanz entwickelt, die arbeitsrechtliche Konflikte innerhalb der Caritas schnell, kompetent und einvernehmlich beilegt. Über 1.100 bearbeitete Verfahren und eine Einigungsquote von rund 90 Prozent belegen eindrucksvoll die herausragende Bedeutung dieser besonderen Einrichtung.
Prof. Dr. Bernd AndrickCaritas | Christoph Grätz
Gründung mit Weitblick
Ins Leben gerufen wurde die Schlichtungsstelle Anfang der 1990er Jahre vom damaligen Diözesan-Caritasdirektor Prälat Günter Berghaus. Er erkannte früh, dass angesichts wachsender arbeitsrechtlicher Konflikte eine unabhängige, verbandsinterne Anlaufstelle nötig war. Für den Vorsitz gewann er den damaligen Richter am Oberverwaltungsgericht Münster, Dr. Bernd Andrick - inzwischen Professor der Rechtswissenschaft und bis heute Vorsitzender der Schlichtungsstelle. Der gebürtige Wattenscheider war durch seine langjährige Jugendarbeit in der Gemeinde St. Pius mit dem Ruhrbistum eng verbunden und mit den Caritas-Strukturen im Bistum Essen vertraut.
Erfolg durch Nähe zu den Einrichtungen
Nach den Arbeitsvertraglichen Richtlinien der Caritas (AVR) wird die Schlichtungsstelle bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern tätig. Sie ist nach dem Vorbild eines Arbeitsgerichts organisiert und mit einem Vorsitzenden sowie je einem Beisitzenden der Dienstgeber- und Dienstnehmerseite besetzt. Prof. Andrick betont insbesondere die Bedeutung dieses internen Fachwissens: "Da die Beisitzer selbst aus caritativen Einrichtungen stammen, bringen sie wertvolle interne Kenntnisse ein. Dieses Know-how hilft uns enorm bei der Bewertung und Einordnung der Fälle."
Gütliche Einigung statt Gerichtsverfahren
"Wir wollen Gräben zwischen Streitenden nicht tiefer werden lassen, sondern zuschütten. Wir nehmen uns für jedes Verfahren die Zeit, die es für seine gründliche Aufarbeitung benötigt", beschreibt Prof. Andrick die behutsame Vorgehensweise. "Fühlen sich die streitenden Parteien wahrgenommen und mit ihren Interessen gewürdigt, sind sie fast immer zugänglich für eine gütliche Einigung."
Wer sich gehört fühlt, ist kompromissbereiter
Die Psychologie der Schlichtung spiele dabei eine zentrale Rolle: "Vieles ist kittende Arbeit - passende Worte finden, Verständnis zeigen, Wertschätzung vermitteln. Die Menschen dürfen nicht das Gefühl haben, von einem System abgebügelt zu werden." Zugleich weist Prof. Andrick darauf hin, dass Schlichtung nicht immer ohne klare rechtliche Orientierung auskommt: "Ich versuche das Recht so lange außen vorzuhalten, wie es geht. Wird es emotional, ist es manchmal notwendig, auf die rechtliche Situation hinzuweisen. Das Recht ist - in Anführungszeichen - kalt. Aber es gibt Halt."
Dass die Schlichtungsstelle eine Erfolgsgeschichte ist, zeigt ihre beeindruckende Bilanz:
In 90 Prozent der Fälle konnte ein arbeitsgerichtliches Verfahren vermieden werden. Andrick: "Wer sich gehört fühlt, ist kompromissbereiter." Entscheidend sei, dass beide Seiten bereit sein müssen, sich zu bewegen. "Der Vorteil einer gütlichen Einigung ist, dass sich die Streitenden hinterher wieder in die Augen schauen können."
An Langeweile ist für Prof. Andrick nicht zu denken: "Unsere Themen haben eine enorme Bandbreite." Die kontinuierlich hohe Bereitschaft der Beteiligten, aufeinander zuzugehen, lässt ihn optimistisch in die nächsten Jahre blicken.
Zur Person
Prof. Dr. Bernd Andrick (73) war von 1991 bis 1996 Richter am Oberverwaltungsgericht Münster. Anschließend bis 2018 Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Seit 1995 schlichtet er arbeitsgerichtlich relevante Fragen von Beschäftigten und Dienstgebern des Netzwerkes der Caritas im Bistum Essen. Andrick lebt in Haltern, ist verheiratet, hat zwei Kinder und ist stolzer Opa von vier Enkelkindern.
Hintergrund und weiterführende Inhalte
Ein ausführliches Gespräch mit Prof. Dr. Bernd Andrick ist im Podcast caritalks verfügbar:
https://caritalks.podigee.io/110-caritalks-drei-jahrzehnte-schlichtung