Die Verbände fordern eine bessere Berücksichtigung der individuellen Situation im Vermittlungsprozess. Integrationen in Arbeit müssen nachhaltig sein, um auch die soziale Situation der Betroffenen zu stabilisieren.
Im Dezember 2018 gab es im Ruhrbistum 240.666 Menschen, die als sogenannte erwerbsfähige Leistungsberechtigte auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen waren. Aber nur 3.018-mal gelang es, eine dieser Personen in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu integrieren. "Das zeigt, wie schwer es Hartz-IV-Empfänger nach wie vor haben, überhaupt wieder einen Fuß in den Arbeitsmarkt hineinzubekommen", sagt Sabine Depew, Direktorin des Caritasverbandes für das Bistum Essen, "und das heißt dann noch lange nicht, dass sie auf dem Arbeitsmarkt auch wirklich Fuß fassen."
Denn viele befinden sich spätestens nach einem Jahr wieder auf Jobsuche. Laut Arbeitslosenreport waren im Ruhrbistum von den 3.056 Personen, die das Jobcenter im Dezember 2017 in sozialversicherungspflichtige Arbeit vermittelt hatte, im Dezember 2018 nur noch 1.990 beschäftigt (65,4 %). Besonders viele, nämlich 812 sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse, endeten bereits innerhalb der ersten drei Monate nach der Integration. "Es genügt nicht, Menschen kurzfristig in Arbeit zu bringen", betont Sabine Depew, "sie müssen dauerhaft in Arbeit bleiben, denn nur so wird sich auch ihre soziale Situation langfristig stabilisieren."
Hinzu kommt, dass viele dieser Integrationen nicht einmal zu einem Ende des Hartz-IV-Bezugs führen. Im Ruhrbistum gelang dies nur in 44,5 % der Fälle. "Langzeitarbeitslose haben es nach wie vor schwer, der Armutsfalle zu entrinnen", sagt Depew als Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege im Bistum Essen. "Das liegt zum Teil daran, dass Menschen etwa aus gesundheitlichen oder familiären Gründen nur Teilzeit arbeiten können, mitunter aber auch daran, dass ein zu geringer Lohn selbst bei Vollzeitarbeit nicht zum Lebensunterhalt reicht. Schon gar nicht dürfen Hartz-IV-Bezieher in unserer Kommunen im Ruhrbistum schief angesehen werden, wenn sie ihren Lohn noch mit Sozialleistungen aufstocken müssen."
Um die Chance auf nachhaltige Beschäftigung zu erhöhen, sollten Arbeitsplätze und Arbeitslose gut zueinander passen. Viel zu oft werden Arbeitslose in Jobs gedrängt, die nicht ihren persönlichen Fähigkeiten und Interessen entsprechen, beobachten die Wohlfahrtsverbände an Rhein, Ruhr und Lenne. "Die Jobcenter sollten die Menschen dabei unterstützen, ihre gesamte berufliche und persönliche Situation realistisch einzuschätzen und individuelle Lösungswege zu finden. Bei den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege finden sie engagierte Partner, die sie bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben unterstützen können", schlägt Sabine Depew vor. Ein unterstützendes Coaching sei ist wichtig, damit Menschen der Weg aus dem Hartz-IV-Bezug in den Arbeitsmarkt gelingen könne. Solche Leistungen müssten standardmäßig zu den Angeboten des Jobcenters für Langzeitarbeitslose gehören.
Das im Januar gestartete Teilhabechancengesetz, von dem in NRW rund 15.000 besonders benachteiligte Langzeitarbeitslose profitieren sollen, beinhaltet bereits ein begleitendes Coaching. Die Beschäftigung wird in den ersten beiden Jahren zu 100 Prozent vom Staat gefördert, in den Jahren danach zu 90 bis 70 Prozent. Die Wohlfahrtsverbände im Ruhrbistum begrüßen die neuen gesetzlichen Möglichkeiten. Sie wünschen sich aber in begründeten Fällen eine Entfristung der öffentlich geförderten Beschäftigung. Sie ist derzeit auf maximal fünf Jahre begrenzt. "Es gibt Menschen, die werden wir nie ohne ergänzenden Lohnkostenzuschuss in sozialversicherungspflichtige Jobs integrieren können", so Depew, "doch auch sie haben ein Recht auf Arbeit, denn das gibt ihnen Perspektive und Würde."
Hintergrund:
Die Wohlfahrtsverbände in NRW veröffentlichen mehrmals jährlich den "Arbeitslosenreport NRW". Basis sind Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Hinzu kommen Kennzahlen zu Unterbeschäftigung, Langzeitarbeitslosigkeit und zur Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften, um längerfristige Entwicklungen sichtbar zu machen. Der Arbeitslosenreport NRW sowie übersichtliche Datenblätter mit regionalen Zahlen können im Internet unter www.arbeitslosenreport-nrw.de heruntergeladen werden. Der Arbeitslosenreport NRW ist ein Kooperationsprojekt der Freien Wohlfahrtspflege NRW mit dem Institut für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung (ISAM) der Hochschule Koblenz.
Pressemitteilung
Ruhrbistum
Endstation Hartz IV? – Freie Wohlfahrtspflege NRW kritisiert, dass Ausstieg zu selten gelingt
Erschienen am:
17.09.2019
Herausgeber:
Caritasverband für das Bistum Essen e.V.
Stabsstelle Information & Kommunikation
Am Porscheplatz 1
45127 Essen
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