Ruhrgebiet. Mit Protestaktionen in ganz NRW reagieren Beratungsstellen der Caritas und anderer Wohlfahrtsverbände auf die geplanten massiven Kürzungen bei der Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte (MBE). Anlass ist der MBE-Aktionstag am 13. September, den die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) ins Leben gerufen hat, um auf die folgenschweren Pläne der Bundesregierung aufmerksam zu machen.
Kürzungen bedrohen gesellschaftlichen Zusammenhalt
"Sollte der Entwurf des Bundeshaushalts 2024 umgesetzt werden, geht dies zu Lasten der zugewanderten Menschen. Mit dem Abbau von MBE-Beratungsstellen wird Neuzugewanderten in Deutschland die Teilhabe am Arbeitsmarkt, an Bildung und Gesellschaft massiv erschwert und der im Koalitionsvertrag angekündigte Paradigmenwechsel in der Einwanderungspolitik in Deutschland verfehlt. Es besteht dringender Handlungsbedarf, diese Strukturen zu retten. Die MBE ist das zentrale, themenübergreifende und, in einigen Bundesländern, einzige Beratungsangebot vor Ort", sagt Emilia Kupferschmidt, Referentin für Migration, Flucht und Integration beim Caritas-Diözesanverband Essen.
Gleichzeitig sieht die Referentin den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet, wenn ausländische Fachkräfte mit ihren Fragen zur Anerkennung von beruflichen Qualifikationen, dem Erlernen der deutschen Sprache oder hinsichtlich des Familiennachzugs alleingelassen werden. "Die Koalition setzt mit diesen Kürzungen ihre eigene Arbeitsmarktpolitik aufs Spiel", warnt Emilia Kupferschmidt. Die gut funktionierende MBE-Struktur mit ihren vielfältigen Hilfen für Ratsuchende und die Willkommenskultur für Fachkräfte werde durch die avisierten Kürzungen nachhaltig und substanziell beschädigt.
Die Migrationsberatung wurde im Jahr 2023 mit 81,5 Mio. € gefördert und soll im Jahr 2024 auf 57,5 Mio. € reduziert werden. Das entspricht einer Kürzung um rund 30 Prozent. Ein fatales Signal, geschieht dies doch in einer Zeit stark ansteigenden Beratungsbedarfs: Im Jahr 2022 sind 2,7 Millionen Menschen nach Deutschland zugewandert, darunter 1,2 Millionen Geflüchtete allein aus der Ukraine - das ist die höchste Zahl seit Beginn der statistischen Aufzeichnung im Jahr 1950.
Im Bistum Essen sind fünf Aktionen rund um den Aktionstag geplant:
In Bochum organisiert die Caritas gemeinsam mit dem DRK, den Jüdischen Gemeinden und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband Gespräche mit den gewählten Volksvertretern aus Bochum und Wattenscheid. Geplant sind Diskussionsrunden, Foren und eine Pressekonferenz. Am 22 September findet von 10 bis 12 Uhr ein Gespräch mit den Abgeordneten Axel Schäfer (MdB SPD), Max Lucks (MdB Bündnis 90/Die Grünen), Olaf in der Beek (MdB FDP) statt. Ort der Veranstaltung ist die Jüdische Gemeinde, Erich -Mendel-Platz 1, 44803 Bochum
In Bottrop veranstaltet die Caritas am 13. September in Ihrer Dienststelle (Hochstr. 17, 46236 Bottrop) im Rahmen "Tag der Offenen Tür". Partner sind die Flüchtlingsberatungsstelle und die Respect-Coaches. Die Caritas hat den örtlichen Bundestagsabgeordneten für den Wahlkreis Bottrop, Gladbeck, Dorsten, Michael Gerdes (SPD) zum Gespräch eingeladen. MBE Mitarbeiterinnen der Caritas aus Gladbeck und Dorsten werden die Anliegen der Freien Wohlfahrtspflege vertreten. Beim anschließenden "Tag der offenen Tür" haben Besucherinnen und Besucher die Gelegenheit, die Arbeit der Caritas mit Zugewanderten Menschen vor Ort kennenzulernen.
In Essen organisieren AWO, Diakonie und Paritätischer Wohlfahrtsverband gemeinsam mit der Caritas einen Austausch mit politisch Verantwortlichen. Eingeladen sind Bundestagsabgeordnete für Essen von SPD, CDU, und den Grünen. Die MBE Fachkräfte besuchen die Abgeordneten Matthias Hauer, Dirk Heidenblut und Kai Gehring am Mittwoch, den 13. 09. 2023. Außerdem werden die örtlichen Verbände einen Brief an die Abgeordneten versenden, in dem sie die angespannte Beratungssituation darstellen.
In Gelsenkirchen veranstaltet die Caritas gemeinsam mit der AWO und dem DRK einen Austausch mit dem SPD Bundestagsabgeordneten Markus Töns und der Parlamentarischen Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Irene Mihalic (eventuell der Vertreter Stephan Tondorf). Die Veranstaltung findet am von 15. September von 10.30 bis 11.30 in den Räumlichkeiten der AWO, Paulstraße 4, 45889 Gelsenkirchen statt. Dabei werden auch Erfahrungen von Klientinnen und Klienten der MBE einbezogen. Geplant ist eine kurze Beschreibung der aktuellen Situation mit Fakten, Zahlen in Form einer Broschüre.
In Oberhausen finden im Rathaus zum Demokratietag am 15. September unterschiedliche Aktionen statt an denen sich auch die Caritas beteiligt, um ihre Position zu den MBE-Kürzungen einzubringen. Weitere Infos, hier: https://www.oberhausen.de/de/index/rathaus/buergerbeteiligung/tagderdemokratie.php
MBE konkret
Das Beratungsangebot richtet sich an erwachsene Zugewanderte über 27 Jahre, bis zu drei Jahre nach Einreise in das Bundesgebiet beziehungsweise nach Erlangung des auf Dauer angelegten Aufenthaltsstatus. Was die MBE leistet:
- Die Vermittlung in Sprachkurse,
- Hilfe bei behördlichen Angelegenheiten, bei der Arbeitssuche, der Berufswahl und beruflichen Fortbildung.
- Hilfe bei der Vermittlung von Kinderbetreuungsangeboten und der schulischen Bildung von Kindern.
- Unterstützung in Konflikt- und Krisensituationen wie Krankheit und Schwangerschaft sowie bei sozialen und familiären Problemlagen.
- Den Aufbau von kommunalen Netzwerken zur interkulturellen Öffnung von Regeldiensten und Verwaltungsbehörden.
MBE in Zahlen
Derzeit können Ratsuchende bundesweit 1.285 Beratungseinrichtungen aufsuchen. Im Jahr 2022 wurden in der MBE 315.000 Beratungsfälle gezählt. Zuzüglich der 242.000 mitberatenen Familienangehörigen konnten somit bundesweit insgesamt 557.000 Personen erreicht werden.
In NRW
In den MBE-Beratungsstellen der Caritas in NRW wurden im Jahr 2022 insgesamt 20.598 Fälle registriert - das sind umgerechnet 339 Fälle pro Vollzeitstelle.
Hauptherkunftsländer der MBE 2022 waren Syrien, Ukraine, Afghanistan, Irak und Türkei. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege sowie der Bund der Vertriebenen (BdV) sind Träger der MBE und organisieren die Beratung vor Ort.