Die siebenköpfige Familie, die zur christlichen Minderheit im Land gehört, ist gerade in Essen angekommen - nach fünf Monaten auf der Flucht.
Als kleines Mädchen wurde Hanna vor Ostern von der Großmutter in den kleinen Wald am Rande von Karakosch, die Christen-Hochburg im Norden des Iraks, geschickt. Sie sollte Gras und Moos sammeln, um damit die Ostereier zu färben. Die Großmutter brauchte viel Gras. Denn Ostern kommt traditionell die gesamte Großfamilie zusammen und alle Familienmitglieder bekommen ein Ei geschenkt. Genau wie die Nachbarn und Freunde, die man in der Woche nach Ostern besucht. Die Frauen sitzen bei Tee und süßem Gebäck, die Männer bei Raki und gesalzenen Nüssen zusammen. "Für mich war es immer das schönste Fest im Jahr", sagt Hanna, gläubige Christin, die der syrisch-katholischen Gemeinde angehört. "Alle sind fröhlich, die Natur erwacht. Es ist die beste Zeit im Jahr, angenehm warm, nicht so heiß wie im Sommer mit manchmal 50 Grad." Und tatsächlich blühen auch in ihrer Heimat, in der Ebene von Niniwe, Osterglocken.
Von feierlicher Osterstimmung weit entfernt
Dieses Osterfest verbringt die sympathische junge Frau mit ihrem Ehemann Thaddeus, einem Sportlehrer, den drei Kindern und den Schwiegereltern in einem Asylbewerberheim in Essen. Dort teilen sich die Sieben mit einer anderen Familie ein Zimmer, das in der Mitte durch einen Vorhang abgeteilt ist.
Im Gemeinschaftraum des Heims steht ein Strauß mit Ostereiern. Doch von feierlicher Osterstimmung ist die Familie weit entfernt, zu groß sind die Sorgen. Der Asylantrag ist gestellt, jetzt bleibt nichts als Warten. "Wir würden gerne etwas tun, wir möchten Deutsch lernen und hoffen, dass unsere Kinder in den Kindergarten und in die Schule gehen können", sagt der Familienvater. Talal Eshaq, ehemals Mathematik-Professor, der ebenfalls aus Karakosch stammt und schon länger in Deutschland lebt, übersetzt seine Worte.
Ihr Heimatort im Irak, wo vor fast zwei Jahrtausenden die ersten christlichen Gemeinden überhaupt gegründet wurden, ist so gut wie entvölkert. Die Terrormiliz Islamischer Staat bedrohte die Einwohner, zu 97 Prozent Katholiken, massiv. Es fielen Bomben, die Christen wurden unter Druck gesetzt. Thaddeus: "Wir lebten in ständiger Angst".
Fünf Monate auf der Flucht
Auf dem Höhepunkt des Terrors im vergangenen August mussten sie sich innerhalb von 24 Stunden entscheiden. Es gab drei Möglichkeiten: zum Islam konvertieren, ein hohes Kopfgeld zahlen oder fliehen. Sie entschieden sich für die Flucht, ließen ihr gesamtes Hab und Gut zurück und retteten sich in ein Flüchtlingscamp auf kurdischem Gebiet. Diese Lager aus Zelten und Containern werden durch ausländische Hilfe, unter anderem auch von der Caritas im Bistum Essen, unterstützt. Die Bedingungen dort sind sehr schlecht. "Es gibt kaum etwas zu essen, das Wasser ist knapp. Die Leute versuchen irgendwie am Leben zu bleiben", erzählt Shairzil Thomas, von der Caritas Flüchtlingshilfe Essen. Er ist gerade aus dem Krisengebiet zurückgekehrt. Der Verein kümmert sich um Flüchtlinge im Nordirak und in Essen. Thomas schätzt die Zahl der christlichen Flüchtlinge allein in der Stadt Essen auf über 1500 Personen.
Die Familie Bashir floh nach ein paar Wochen im Camp mit Hilfe von Schleusern nach Deutschland - fünf Monate auf der Flucht mit drei Kindern (4, 6 und 9 Jahre) und einem Großvater, der blind, taub und herzkrank ist.
Ihr Haus in Karakosch, so haben sie erfahren, ist geplündert und mit einem großen roten N - für Narsara, übersetzt Christ - beschmiert. "Möbel, Kühlschrank, alles ist weg. Sogar die Fenster haben sie ausgebaut", erzählt Ehemann Thaddeus. Um dann klarzustellen. "Aber das ist nicht wichtig. Hauptsache, unsere Familie ist in Sicherheit. Wir wollen von vorne anfangen".
Marta, die sechsjährige Tochter, ist erst ein wenig schüchtern Fremden gegenüber, aber schon bald zu einem einnehmenden Lächeln bereit. Tamas, der große Bruder (9), ist ein stiller Junge. Und Arthr, mit vier Jahren der Jüngste, macht einen fröhlichen Eindruck, dem Knirps, so scheint es, sitzt der Schalk im Nacken. Doch nachts oder wenn zwischendurch die Sirenen eines Krankenwagens zu hören sind, fangen die jüngeren Kinder an zu weinen, erzählt die Mutter. Die Erlebnisse der Bombardierungen im Irak sitzen tief.
Eine neue religiöse Heimat
In der Franziskanergemeinde Heilig Kreuz in Huttrop hat die Familie eine religiöse Heimat gefunden. In der Kirche an der Franziskanerstraße dürfen die 300 Mitglieder der syrisch-katholische Gemeinde in Essen ihre Gottesdienste feiern. "Die Auferstehung Jesus feiert man ihm Irak sehr intensiv, über viele Tage", erzählt Talal Eshaq. Es beginnt am Gründonnerstag mit einem Gottesdienst, in dem ein Priester zwölf Kindern die Füße wäscht - so wie Jesus die Füße seiner Jünger gewaschen hat und wie der Papst es heutzutage zum Auftakt der Osterfeierlichkeiten praktiziert. Die syrisch katholische Kirche, deren Oberhaupt der Patriarch von Antiochia ist, orientiert sich stark an der römisch-katholischen Kirche. Sie erkennt den Papst an - anders als die syrisch orthodoxe Kirche, die parallel existiert.
Karfreitag wird der Leichnam Jesu symbolisch zu Grabe getragen, Ostersonntag wird seine Auferstehung in einem mehrstündigen Gottesdienst gefeiert. Anschließend folgen die Besuche von Familienmitgliedern und Freunden - eine ganze Woche lang, bis zum Weißen Sonntag. Traditionell zelebrieren die syrisch-katholischen Christen ihre Liturgie noch heute in Aramäisch, der Sprache Jesu, zum Teil aber - des besseren Verständnisses wegen - auf Arabisch, so auch in Essen.
In ihr Gebet zu Ostern wird die Familie Baschir wohl die Bitte um ihre Zukunft einschließen. "Im Irak haben wir keine Zukunft. Wer den Vermerk Christ im Ausweis stehen hat, bekommt keine Arbeit, die Kinder werden schikaniert. Man kann niemandem trauen. Wären wir geblieben, wären wir vielleicht schon tot", sagt Thaddeus. Er hofft, dass der Asylantrag positiv entschieden wird, dass die Familie in eine Wohnung umziehen und er arbeiten kann. "In der kurzen Zeit, die wir in Deutschland sind, habe ich den Eindruck gewonnen, dass man in diesem Land frei leben kann." (Text: Gabriele Beautemps)
Der Caritas-Flüchtlingshilfe Essen e.V. bittet um Spenden für die Arbeit mit Flüchtlingen
Caritas-Flüchtlingshilfe Essen
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