Verfahren zur Anerkennung des Leids umsetzen
Prävention
Im Themenfeld Prävention von sexualisierter Gewalt berät der Diözesan-Caritasverband (DiCV) Essen auf Wunsch bei der Erstellung eines Institutionellen Schutzkonzeptes (ISK) und gibt bei Bedarf eine qualifizierte Rückmeldung. Im Berichtszeitraum haben sechs Träger dieses Angebot angenommen.
Ein wichtiges Element der Prävention sind unterschiedliche Schulungen. Der DiCV Essen verantwortet gemeinsam mit den anderen vier Diözesan-Caritasverbänden in NRW das Angebot des blended learning. Blended learning, oder auch integriertes Lernen, bezeichnete eine didaktische Methode, die Präsenzveranstaltungen mit Online-Selbstlernkursen kombiniert. Die Kurse werden gemeinsam weiterentwickelt und begleitet. Weitere Informationen zu dem Angebot gibt es unter: Lizenzen-Praevention-Blended-Learning.pdf (caritas-campus.de)
Der DiCV Essen ist daneben an der Entwicklung und Umsetzung der Schulungen für Schulungsreferenten, Leitungskräfte und Präventionsfachkräfte beteiligt.
Anerkennung des Leids
Am 1. August 2023 trat der Deutsche Caritasverband mit allen Untergliederungen dem Verfahren zur Anerkennung des Leids der deutschen Bistümer bei. Mit Veröffentlichung dieses Verfahrensbeitritts meldeten sich ehemalige Heimkinder beim DiCV und bei Trägern und berichteten - teilweise zum ersten Mal - von sexuellen Übergriffen, denen sie vor vielen Jahren in Einrichtungen der Caritas ausgesetzt waren. Die Betroffenen fanden erst jetzt den Mut und die Worte, sich zu ihren Erlebnissen zu äußern. Teilweise hatten die Betroffenen bereits Kontakt zum Bistum Essen aufgenommen.
Der DiCV Essen hatte in diesem Kontext im Berichtszeitraum mit acht Betroffenen Kontakt. Da das Verfahren zur Anerkennung des Leids zwar seit August 2023 für die Caritas gilt, aber die Strukturen und Verfahren noch gar nicht entwickelt waren, mussten diese mit dem Bistum und den Trägern entwickelt und umgesetzt werden. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen.
Aufarbeitung
Neben der Antragstellung auf Leistungen zur Anerkennung des Leids ging und geht es den Betroffenen vor allem um die Aufarbeitung ihrer Geschichte und der Taten. Sie fragen nach Verantwortlichen, nach Strukturen, die die Taten ermöglicht haben, und sie erwarten, dass die Träger alles tun, damit so etwas in Zukunft nicht wieder passiert. Diesen Fragen gewissenhaft nachzugehen, ist Aufgabe der Träger. Der DiCV Essen unterstützt und berät in diesen Prozessen, soweit dies gewünscht und möglich ist.
Intervention
Auch im Bereich "Intervention" kann der DiCV Essen auf Wunsch der Träger beratend tätig werden, beispielsweise wenn der Vorwurf eines sexuellen Übergriffs oder einer sexuellen Grenzverletzung im Raum steht. Bislang haben jedoch wenige Träger eine Meldung an den DiCV als Selbstverpflichtung in ihre Interventionskonzepte aufgenommen.
In acht Fällen wurde der DiCV Essen zu aktuellen Vorwürfen hinzugezogen. Der DiCV Essen war in den konkreten Fällen im Rahmen der Plausibilitätsprüfung, der Aufgaben- und Rollenklärung im Krisenstab, bei der Prüfung, ob alle Betroffenen "ausreichend versorgt" sind, und bei den weiteren Handlungsschritten in unterschiedlicher Intensität beratend und unterstützend tätig.
Rückmeldung der Träger zu den Beratungs- und Begleitprozessen
Rückblickend haben die Träger die Beratung und Begleitung durch den DiCV in den Bereichen Prävention, Aufarbeitung und Intervention positiv beurteilt. Der Blick von außen habe die Perspektiven erweitert und Handlungssicherheit gegeben. Fachliche Informationen und praktische Erfahrungen seien hilfreich gewesen, "mögliche blinde Flecken" zu erkennen. Darüber hinaus wurde die Vermittlung von Supervisionen als nützlich empfunden.
Umsetzung des Verfahrens zur Anerkennung des Leids in unserem Bistum
Sexuelle Übergriffe und Grenzverletzungen sind aktuell vor allem in der Kinder- und Jugendhilfe und in der Altenhilfe ein Thema. Es geht in den Beratungsgesprächen insbesondere um Übergriffe unter Kindern und Jugendlichen sowie unter Bewohnerinnen und Bewohnern, aber auch um Grenzverletzungen gegenüber Mitarbeitenden und verstärkt um übergriffige Inhalte in den sozialen Medien.
Die Anforderungen zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und schutzbedürftigen Erwachsenen an die Träger sind vielfältig und beinhalten alle Gewaltbereiche. Diese Anforderungen der Kostenträger und weiterer Stellen umfassend zu erfüllen, ist eine große Herausforderung - auch für den DiCV, der diesen Prozess mitbegleitet und mitgestaltet.
Autorin: Irmgard Handt