Andreas Meiwes, Direktor des Caritasverbandes für das Bistum Essen e.V.Achim Pohl
Die Caritas im Bistum Essen ist gegen die aktive Sterbehilfe, warum?
Andreas Meiwes: Wer dem Tod entgegensieht, will Mensch bleiben, das Leben - so gut es geht - bis zum Ende genießen. Sterben in Würde bedeutet für die Caritas nicht, den Zeitpunkt des Todes selbst zu bestimmen, sondern die Art und Weise des Sterbens würdevoll zu gestalten. Als katholischer Verband lehnen wir die aktive Strebehilfe ab, weil es eine Alternative gibt, sterbenden Menschen Lebensqualität bis zum Schluss zu ermöglichen: Eine umfassende medizinische, schmerztherapeutische Begleitung und menschliche sowie seelsorgliche Zuwendung.
Wie bewerten Sie die Verabschiedung des Gesetzentwurfes zur Sterbebegleitung?
Andreas Meiwes: In Teilen positiv. Wir begrüßen, dass die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe gestellt wird. Im Unklaren bleibt aber die Definition - "gewerbsmäßig, auf Wiederholung ausgerichtete Hilfe beim Suizid" - und wer außer Sterbehilfevereinen genau unter diese Regelung fällt.
Etwas im Windschatten der Sterbehilfe-Debatte stand die Verabschiedung des Hospiz- und Palliativgesetzes am 5. November. Welche Veränderungen wird dieses Gesetz bringen?
Andreas Meiwes: Für unsere Hospizarbeit ist diese Einigung ein Erfolg, weil wir Menschen in der letzten Lebensphase künftig intensiver versorgen und individueller betreuen zu können. Die Palliativversorgung wird mit dem Gesetz ausdrücklicher Bestandteil der Regelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Außerdem befürworten wir die flächendeckende Einführung einer Hospiz und Palliativberatung, wie sie das Gesetz vorsieht. Fachlich kompetent beratene Patienten verursachen in der letzten Lebensphase, deutlich geringere Kosten, zum Beispiel weil überflüssige Krankenhauseinweisungen unterbleiben. Kritisch beurteilen wir aber, dass ausgerechnet die Krankenkassen als Kostenträger für die Einführung dieser Beratung zuständig sein sollen.
Was heißt das Gesetz praktisch für Ihre Hospize und Palliativversorgung?
Andreas Meiwes: Mit dem Gesetz werden jetzt auch Begleitungen von Ehrenamtlichen im Krankenhaus gefördert. Ambulante Hospizdienste werden finanziell besser gestellt, indem sie Sachkosten wie die Fahrten ehrenamtlicher Sterbebegleiter, Fachliteratur, Kommunikations- und Versicherungen geltend machen können. Bisher wurden ausschließlich Personalkosten gefördert. Auch stationäre Hospize werden künftig finanziell besser gestellt. Dazu wird der Mindestzuschuss der Krankenkassen erhöht. Für Kinderhospize können zusätzlich eigenständige Rahmenvereinbarungen abgeschlossen werden. Dies dürfte auch dem von uns geforderten Ausbau der Kinderhospizarbeit positive Impulse geben. Neue Wege geht das Gesetz im ambulanten Bereich: So werden Ambulante Pflegedienste erstmals bundesweit Sterbebegleitung abrechnen können, was in NRW schon seit längerem möglich ist. Hier dürfen neue Regelungen nicht hinter den Qualitätsstandards in NRW zurückstehen.
Die Caritas im Bistum Essen macht sich stark für Strebebegleitung und Palliativkultur in Altenheimen. Was bringt das Gesetz für Ihre Altenheime?
Andreas Meiwes: Für die stationäre Altenhilfe bleibt das Ergebnis leider hinter unseren Erwartungen zurück, weil kein zusätzliches Geld, etwa für Fachpersonal, ins System gebracht wird. Auch die symptomlindernde Pflege und Schmerztherapie bleibt unterfinanziert, die gerade zum Lebensende besonders wichtig ist und aufwändig sein kann.
Die Fragen stellte Christoph Grätz
Info:
In den Einrichtungen der Altenhilfe, in katholischen Krankenhäusern, Palliativeinrichtungen und Hospizen der Caritas werden sterbende Menschen ebenso begleitet wie ihre Angehörigen. Im Netzwerk der Caritas im Ruhrbistum arbeiten zwölf ambulante Hospizgruppen und -vereine mit starker ehrenamtlicher Beteiligung, sechs stationäre Hospize und sieben Pflegeteams zur symptomlindernden Pflege. Betroffenen und deren Angehörigen helfen oft Gespräche mit qualifizierten Ehrenamtlichen der ambulanten Hospizgruppen oder das seelsorgerische Gespräch mit dem zuständigen Geistlichen aus der Gemeinde. Auch die Krankenschwester der Sozialstation kann Angehörige aufklären, welche Hilfen sie in Anspruch nehmen können.